Wahlversprechen zu geben, ist das Eine. Sie zu verfolgen, sie gegen den Widerstand verschiedenster Interessensgruppen durchzusetzen, das Andere. Diese jedoch abzuschwächen oder gar aufzugeben, noch vor den ersten Taten, wirft eine zentrale Frage auf: strategische oder doch eine vollständige Kapitulation?
Ganz im Gegensatz zur Euphorie auf Klimakonferenz in Marokko, ist BVBB-Vorsitzende und Berlinerin Christine Dorn „gelinde gesagt, ziemlich sauer“. Dass die Berliner im Rahmen der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2016 sich für sozialere und grünere Politik entschieden haben, spricht nicht nur für die Berliner, sie lässt für die Lösung der anstehenden Probleme Hoffnung aufkommen. „Solidarisch. Nachhaltig. Weltoffen“, so der Slogan der Koalitionsvereinbarung zur Legislaturperiode 2016-2021. Doch die bereits im Vorfeld erzielten Verhandlungsergebnisse, am Beispiel des Nachtflugverbots, lassen all die Hoffnung im wahrsten Sinne des Wortes, schmelzen.
Vorsicht! Die Bedeutung des Themas Nachtflugverbot und damit verbundenen Auseinandersetzung der betroffenen Interessengruppen, überschreitet bei weitem die medial immer wieder gern verzerrte Darstellung eines „Randgruppenproblems“. Es geht hierbei um die Frage einer nachhaltigen Stadtentwicklung, um zukunftsorientierte Verkehrspolitik, um soziale Probleme und nicht zuletzt, um den Umgang mit dem Klima! Es geht um Investitionen in Milliardenhöhe, die in anderen wichtigen öffentlichen Trägerschaften fehlen. Es geht um den Interessenskonflikt zwischen der Luftverkehrslobby und Bürger- und Menschenrechten. Es geht um Medien und um Manipulation durch Nebelkerzen, es geht um Luftreinhaltung, um Lärmschutzmaßnahmen. Und natürlich geht es auch, was allzu gern vernachlässigt wird, um das Verantwortungsbewusstsein jedes einzelnen.
Vor knapp einem Monat hat die EU den Weltklimavertrag von Paris ratifiziert. Ein wichtiger Meilenstein, um die Klimaveränderung zu begrenzen. Um das Ziel des Vertrages zu erreichen, MUSS unmittelbar mit einer drastische Reduzierung der CO2 Ausstoßes begonnen werden. Es ist inzwischen belegt, dass nicht alle Reaktionen des Klimas auf Veränderungen sich stetig verhalten. Also nicht bis zu eine magischen Grenze alles in Ordnung ist, sondern ab einer bisher unbekannten Grenze verstärkt sich das Verhalten von selbst und fängt an „zu kippen“. Weder die Klimaveränderung, noch die Notwendigkeit zügig und entschlossen zu handeln sind vollkommen neue Erkenntnisse. Genauso lange bekannt sind die deutlichen Auswirkungen des Luftverkehrs auf das Klimageschehen. Nicht grundlos werden Flugzeuge als umweltschädlichstes Verkehrsmittel bezeichnet.
Um den finanziellen Teufelskreis zu unterbrechen, wurde eine Initiative „Divestment“ ins Leben gerufen. Öffentliche Träger werden ermuntert keine Investitionen in fossile Energieträger zu tätigen. Die Erfolge können sich weltweit sehen lassen. Auch in Berlin konnten erste Erfolge dabei erreicht werden.
Dagegen wirken die Forderungen und Euphorie rund um die Luftfahrt geradezu grotesk! Wie in vielen Punkten, belegt die Berliner Politik und der Flughafen BER in der Negativliste einen Spitzenplatz. So wird in Berlin und Brandenburg seit mehr als 20 Jahren an einem tiefgreifenden, und über den gesamten Zeitraum bekannten „BER-Geburtsfehler“ festgehalten. Während dieser Zeit wurden Milliarden an Verbindlichkeiten durch Fehlplanung und Missmanagement angehäuft, die ihresgleichen suchen. Um sich die ersten Ränge dieser Negativliste auch für die Zukunft zu sichern, wird nach all den ungesühnten BER-Fehlentscheidungen nun die Rechnung hoch gehalten und behauptet, diese müsse durch einen vermeintlich „wirtschaftlichen Betrieb“ an einem untauglichen Standort abgebaut werden. Ob dieser „Abbau“ rechnerisch überhaupt jemals möglich ist, spielt bei all den populistischen Forderungen keine Rolle. Es ist ein Totschlagargument, das für jegliche auch nur minimale Behinderung der wirtschaftlichen oder finanziellen Interessen Dritter herhalten kann. Eine starke Lobby, gepaart mit dem gigantische Schuldendruck, welcher durch die Standortfehlentscheidung und der darauffolgenden Planungen, deren Änderungen sowie der Planungsunfähigkeit entstanden ist, klebt wie Schweröl an den seit Jahren überfälligen Maßnahmen zur Reduktion der Umweltbelastung „Luftverkehr“.
Nachtflugverbot – „nur ein kleiner Schritt für..“ eine Handvoll von Menschen - der nicht einmal gegangen wurde. Es wäre der erste kleine Schritt in Berlin zur Reduzierung des umweltschädlichen Flugverkehrs gewesen. Nur wenige Monate vor Beginn der Koalitionsverhandlungen brüstet sich der Flughafen mit einem Wachstum von über 40%! Damit hat der Luftverkehr allein am Flughafen SXF seit 1991 um sage und schreibe 1.100% zugelegt. Auf der anderen Seite hatte sich Deutschland 2010 dazu verpflichtet, den CO2 Ausstoß im Jahre 2020 gegenüber von 1990 um 40% zu verringern. Es ist wenig verwunderlich, dass der Verkehrssektor anstatt einzusparen sogar deutlich zulegt. Nur kurz von den Koalitionsverhandlungen in Berlin stellt eine Studie den linearen Zusammenhang zwischen CO2 Ausstoß und der Eisschmelze fest. Diese widerspricht nicht dem „Kipppunkt“ sondern belegt ganz im Gegensatz, dass die bisherigen Modelle viel zu „optimistisch“ waren. Die Eingangsforderung, dass es unmittelbar zu einer Reduzierung des CO2 Ausstoßes kommen muss, wird erneut dramatisch untermauert. Daraus ergab sich für die Verhandlungsposition der Grünen bei den Koalitionsverhandlungen eine Selbstverpflichtung, eindeutig und unnachgiebig für eine nachhaltige ökologische Verkehrspolitik einzutreten.
Doch was wurde aus dieser herausragenden Verhandlungsposition herausgeholt?
Statt der Luftverkehrswirtschaft nur einen minimales unbedeutendes Stückchen abzutrotzen, nämlich den Verzicht auf knapp 1,5h Betriebszeiten im Nachtflugverkehr, dies auch zum Schutze der Anwohner, wird mit der Formulierung „die Airlines hätten den Anspruch, trotzdem zu fliegen“ von Klaus Lederer begründet, die bisherige menschenfeindliche Regelung zum Nachtflug am BER beizubehalten bzw. mit der aberwitzigen Kosmetik einer wechselseitigen Landebahnnutzung den Schaden zu mindern. Dies wirft nicht nur die Frage auf, welche vertraglichen Aspekte denn im Einzelnen hier gemeint sind, und warum diese s.g. Verträge nicht vor der Wahl bekannt waren, sondern auch, wie das Land Berlin, Brandenburg und auch der Bund zu Klimaschutz vertraglichen Vereinbarungen steht.
Ist es tatsächlich „sozial“ klar Forderungen zum Kohleausstieg anzusetzen und gleichzeitig zuzulassen, dass Billig-Airlines Luftverschmutzung, Lärm und Klimazerstörung ungehindert fortsetzen? Ist es nicht gerechter jetzt und augenblicklich an den Punkten anzusetzen, die die Gesellschaft am wenigsten beeinträchtigen? Zumal für den Nachtflug bereits ein erfolgreiches Volksbegehren in Brandenburg vorliegt?
Nichtsdestotrotz, die eigene politische Verantwortung endet eben nicht mit dem Zettel an der Wahlurne. Ob Strategie, Kapitulation oder gar fehlendes Rückgrat der politischen Akteure. Rückhalt bekommt ein umweltpolitisches Thema nicht nur durch das Wort sondern auch durch die Tat! Es ist vollkommen widersinnig auf Energiesparlampen zu wechseln, auf Fleisch zu verzichten und sich täglich auf dem – tatsächlich längst überfälligen - neuen Radweg abzustrampeln, um gleichzeitig die gewonnenen Einsparungen mit einer vollkommen überflüssigen Flugreise für Jahre zu pulverisieren.
Mindestens 43 Länder haben sich in Marokko klare Ziele gesteckt. Sie wollen komplett auf Kohle, Öl und Gas verzichten. In Berlin hat man sich auch geeinigt. Brandenburgs Ministerpräsident Woidke wirkt den Plänen gegenüber amüsiert. Während in der Region Berlin Brandenburg noch taktiert, amüsiert und kapituliert wird, handeln andere. Mit Worten, mit Taten und mit klaren Signalen. Sie werden mit Bewunderung gefeiert. Berlin sammelt derweilen wieder einmal Spott. Und als hätte man es im Vorfeld geahnt. Wieder und wieder ist der BER beteiligt.