Rede von Dr. Michael Wilk, Arbeitskreis Umwelt Wiesbaden anl. der 150. Montagsdemo am Frankfurter Flughafen
Liebe Anwesende,
die 150ste Flughafendemo- der Protest der Menschen (euer/unser Protest) hat wahrhaftig Kontinuität und Durchhaltevermögen. Jeden Montag tönt es unüberhörbar durch das Terminal „Die Bahn muss weg…“. Es ist klar – gemeint ist die Landebahn-Nord, deren Inbetriebnahme Ende 2011 zu einer zusätzlichen massiven Verlärmung der Region führte. Viele jedoch, die den Flughafen in einer, den Mensch und Natur verachtenden Expandierung erleben, denken länger zurück. Was heute „die Bahn muss weg…“ heißt, hieß einmal „Keine Startbahn-West“ und ich will daran erinnern, dass die Auseinandersetzung mit dem Frankfurter Flughafen schon viel länger andauert.
Seit nunmehr rund 35 J. kämpft diese soziale Bewegung gegen die fortschreitende Erweiterung des Airports, gegen Profitgier und eine Wachstumsideologie, deren in Beton gegossene Realität für jene Härte und Kälte steht, mit der Flughafenbetreiber und die Politik die Expandierung durchziehen. Man ist geneigt den Moloch-Flughafen als eine Art verdinglichten Horror wahrzunehmen- dessen Wachstum einfach nicht zu stoppen und aufzuhalten ist. Oft verglichen mit einem Krebsgeschwür, das sich in die Landschaft frisst und letzte Reste vormals geschützter Natur mitten im Ballungsraum verschlingt. Es ist in diesem Sinne durchaus ein Unding was hier passiert, und doch handelt es sich nicht um eine mysteriöse, unaufhaltsame Eigendynamik einer Sache, die zwangsläufig expandieren müsste: Hinter dieser Gesundheit und Natur verachtenden Expansion des Frankfurter Flughafens stehen Menschen, die diese Entscheidungen treffen. Sie sitzen in den Vorstandsetagen von Fraport und Lufthansa, und sie sitzen in der Staatskanzelei zu Wiesbaden und ebenso im Parlament.
Das was uns quält wird von Fraport und PolitikerInnen, von Merkel bis Bouffier, zynisch als Erfolgstory gefeiert. Ein Erfolg, bei dem Steigerungsraten und Profitmaximierung gemeint sind, während für uns Schultes Versprechen einer „konstanten Dividende“ rücksichtlose Zerstörung von Umwelt, Klima und Gesundheit bedeutet. Diese Leute beuten aus- sie mehren ihr Geschäft auf Kosten der Menschen im Ballungsraum Rhein-Main. Flugbetrieb in dieser Form ist Körperverletzung mit Todesfolge. Eine Tatsache die längst medizinisch belegt ist, die jedoch auf Seiten der Betreiber niemand interessiert.
Wir, die wir hier stehen, (und deshalb ist es gut dass wir hier stehen) sagen Nein zu dieser Entwicklung, deren Prämisse aus „höher, schneller, weiter“ besteht, aus Maßlosigkeit und grenzenloser Profitgier. Fraport jedoch, die sich propagandistisch gern als „guter Nachbar“ darstellt, will weiter expandieren. Das liegt in der Natur des Systems- sie kriegen den Hals nicht voll genug.
Nächste Woche soll der Spatenstich für Terminal 3 erfolgen- (wobei wir natürlich wissen, dass das Vorfeld bereits betoniert ist). 2014 flogen ca. 60 Millionen Passagiere ab Frankfurt. Das 3. Terminal soll die Abfertigung von 90 Millionen Passagieren möglich machen. 30 Millionen Passagiere mehr, das ist das was in Düsseldorf und Köln/Bonn pro Jahr fliegt. Terminal 3 macht die Steigerung der jährlichen Flugbewegungen von derzeit etwa 470.000 auf 700.000 möglich. Noch mehr und der Bau weiterer Start- und Landebahnen wären dann denkbar. Wir wissen, dass jeder zusätzliche Flieger für die Region mehr Lärm und Abgase bedeutet, mehr Stress, Krankheiten und vorzeitige Todesfälle.
Durch den geplanten Bau des Terminal 3 wird ein weiterer Schritt in Richtung einer Fraport Airport City vollzogen: Schon längst macht Fraport seine größten Gewinne mit Immobilien und im Einzelhandel- es ist unter diesen Umständen müßig darüber zu diskutieren, ob „ökonomisch gedacht“ ein echter Bedarf nach einem Terminal 3 besteht. Fraport schafft sich seinen Bedarf selbst, Drehkreuzfunktion und Umsteigeaufenthalte sollen es richten. Wir haben es aufs Neue mit einer Dynamik zu tun, bei der sich ein profitorientiertes Großprojekt seine Umgebung nach seinen Maßstäben formt. Die Entscheider des Ausbaus, die sich noch nie an den Bedürfnissen der Menschen dieser Region orientiert haben, werden mit dem Bau und der Nutzung des Terminal 3 einmal mehr der Region einen natur- und sozialfeindlichen Stempel aufdrücken.
FRA steht für Lärm, Naturzerstörung und Waldverlust, (2245 ha Wald wurden durch den Flughafen seit seiner Gründung vernichtet), FRA steht für Luftverpestung und Klimaschädigung, FRA steht aber auch für prekäre schlecht entlohnte Arbeitsplätze und den größten Abschiebeflughafen. Alles in Allem ein Geschäftsmodell das sich zu lohnen scheint- wenn man auf der Gewinnerseite steht- und das es über die schon bestehenden internationalen Beteiligungen zu erweitern gilt: 14 gewinnbringende Flughäfen aus dem Tafelsilber Griechenlands zieht sich Fraport zur garantierten 40 jährigen Ausbeutung für einen Appel und ein Ei an Land. Ein Deal der höchstpersönlich von Ministerpräsident Bouffier zur Chefsache erklärt und eingefädelt wurde. Überrascht uns das? Nein es überrascht uns nicht! Das kennen wir, das kennen wir gut: Seit dem Bau der Startbahn West, die gegen den Protest Hunderttausender durchgeprügelt wurde, ist klar, dass Wirtschaftsinteressen von jeder Landesregierung vorrangig behandelt werden.
Die Regierenden haben Fraport und Lufthansa stets den Weg geebnet, haben Expandierung stets für entscheidender gehalten, als den Schutz von Mensch und Tier und die Rücksicht auf die ökologischen Reserven der Region. Und um wie viel weniger gelten Interessen von Menschen anderer Länder, wenn schon auf die eigene Bevölkerung in dieser Hinsicht keine Rücksicht genommen wird?
Seit der Inbetriebnahme der Nordbahn haben wir so unsere Erfahrungen mit der Politik gemacht. Wenn wir diesen Erfahrungshorizont auf die 35 Jahre seit der Durchsetzung der Startbahn-West ausdehnen, wird das Spektrum der politischen Tricks und Durchsetzungsmanöver, des Lugs und Trugs noch größer, bunter und schillernder.
SPD-Ministerpräsident Börner selig ließ die Startbahn West mit Gewalt durchsetzen, ein Volksbegehren wurde verhindert. „Kein Baum wird mehr fallen!“ wurde im Anschluss versprochen. Dann die Nordbahn: Ein sogenanntes Mediationsverfahren, trickreich eingerichtet von SPD und Grünen, sollte die Bürgerinitiativen ruhigstellen und den Widerstand klein halten, zu Recht haben wir uns diesem Manöver gegenüber verweigert. Selbst das versprochene kastrierte Nachtflugverbot (Wir fordern immer noch 22.00 - 6.00 Uhr und nicht 23.00 - 5.00 Uhr!) – musste noch gerichtlich erstritten werden.
Wir erinnern uns noch gut an den letzten Landtagswahlkampf und die phrasenhaften Versprechungen der Politik mit dem realen Gehalt einer Blähung. Speziell die Grünen stellten einmal mehr ein gewohnt geschmeidiges Politikverständnis unter Beweis, indem sie von verbalen Ausbaukritikern zum realen Ausbaudurchwinkern mutierten. Nicht überraschend und doch fatal- nicht zuletzt deshalb, weil viele aus den Reihen der empörten BürgerInnen im Vorwahlkampf nicht realistisch genug waren, Lug und Trug und falsche Versprechungen als Hirnkleister zu erkennen. Die nun als „Lärmpausen“ angebotenen Lärmverschiebungen sind ebenso Augenwischerei wie die Gutachten des Hessischen Wirtschaftsministeriums zum Ausbau von Terminal 1 (an Stelle des Baus eines dritten Terminals). Es wird nicht der letzte Versuch bleiben uns mit Scheinlösungen hinhalten zu wollen, zu versuchen uns zu spalten und je näher die nächste Wahl kommt, erneut mit falschen Versprechungen einzulullen. Vor allem die Gutgläubigen unter uns mussten einmal mehr die Erfahrung machen, dass dieses Politikverständnis der Parteien Teil des Problems und nicht Teil der Lösung ist.
Was ist zu tun ? Macht Protest und Widerstand überhaupt noch Sinn? Wie können wir weiter agieren angesichts der unbestreitbaren Durchsetzungserfolge der Fraport, einem milliardenschweren Gegner, der sich „lieb Kind zu machen sucht“ in dem er alle möglichen Vereine sponsert, der teure Kampagnen wie „Ja zu FRA“ (Burson u Marstaller) in die Gehirne der Menschen drückt, alles zudem flankiert von einer willfährigen Politik, die ihre Aufgabe in der Durchsetzung einer menschenfeindlichen Konzernstrategie sieht- und nicht in der Kontrolle dieser?
Wir antworten: Ja- Protest macht Sinn- Widerstand ist weiter notwendig!
Wenn sich die Politik als Schmiermittel im Räderwerk von Umweltvergiftung, Verlärmung und Ausbeutung von Mensch und Natur versteht, dann sind wir notwendigerweise der Sand in einem solchen Getriebe…!
Auch wenn es ihnen damals gelang die Startbahn-West durchzusetzen, die Breite und Massivität des Protestes warf sie für Jahre zurück und bremste das Tempo der weiteren Expandierung. Auch die Nordbahn musste über größte Widerstände hinweg mit Mediations- und Dialogtricks, (sie sind lernfähig- man verzichtete nunmehr auf den Einsatz plumper Gewalt), durchgesetzt werden. Sie müssen mit uns rechnen, wir sind diejenigen die einer schnellen Expandierung im Wege stehen, wir sind diejenigen die ein Durchregieren unmöglich machen. Das, wenn auch kastrierte, Nachtflugverbot gäbe es nicht ohne uns, die Aufmerksamkeit über die negativen Auswirkungen des Flugverkehrs wäre ohne uns bei weitem nicht so geschärft.
Doch machen wir uns nichts vor: Die Landebahn- Nord ist in Betrieb und es sieht auch nicht so aus als könnten wir den Baubeginn des Terminal 3 stoppen. Und doch ist es wichtig dass wir hier stehen und unsere Stimme erheben. Wir und tatsächlich nur wir – natürlich im Bündnis mit den Umweltverbänden und den Kommunen- setzen jene Maßstäbe die diametral denen von Fraport und Lufthansa (und ihren willfährigen Helfern aus der Politik) entgegenstehen! Auch wenn viele Menschen im Laufe der Zeit resignierten, im Protest erlahmten und den Mut zum Weitergehen verloren haben, strömen den Initiativen immer wieder Menschen zu, die wach werden und sich genötigt sehen aktiv zu werden.
Wir haben gelernt und wissen: In Sachen Flughafen geht es nicht um Sieg oder Niederlage an einem Punkt. Es geht vielmehr um den dynamischer Prozess eines ungezügelten Wachstums, und um den notwendigen Widerstand dagegen.
Wir hier im Flughafen, (oder auch auf der Straße, oder im Wald) sind ein wichtiger Teil einer humanitären, positiven, politischen Kultur – ohne uns und das ist sicher- flösse der Beton schneller, wäre die Natur zerstörter, die Menschen kränker, die Gesellschaft engstirniger und noch mehr von Ausbeutung und Ausgrenzung durchdrungen!
Wir werden auch weiterhin nicht zulassen, dass unser Bedürfnis nach einer lebenswerten Region, durch die menschenfeindliche Ideologie eines „grenzenlosen Wachstums“ in Frage gestellt wird. Es ist unsere Aufgabe, dass unsere Positionen und Argumente sichtbar bleiben.
Wie geht es jedoch im Konkreten weiter? Fraport hätte sich an die Demonstrationen gewöhnt, sagt Schulte. Unser Protest – gerade hier am Flughafen- läuft Gefahr zur geduldeten Routine zu werden, vielleicht sogar mit einer gewissen Ventilfunktion zum Dampfablassen, die zwar für die Gegenseite unangenehm ist, aber immer noch besser ist als ein unberechenbarer Widerstand. Ein Widerstand der durchaus mehr eingreifen könnte in das Räderwerk der Flughafenmaschinerie. Ich komme ja auch aus dem Widerstand gegen Atomenergie und kann sagen, an diesem Thema haben wir über 40 Jahre Zähigkeit, zivilen Ungehorsam, massiven Widerstand und entschlossene Aktionen gebraucht (und leider auch einige atomare Desaster erleben müssen) bis ein Umdenken einsetzte. Politik bewegt sich nie ohne massiven Druck. Gespräche und geschüttelte Hände reichen einfach nicht aus! Am Thema Flughafen ist Kreativität und ein langer Atem gefragt und ebenso Mut zu Schritten, die weitere Menschen motivieren könnten sich dem Protest aufs Neue anzuschließen. Gut täte mehr ziviler Ungehorsam, mehr Vertrauen in die eigene Kraft und weniger Angst vor der eigenen Courage! Es liegt eben durchaus an uns- und nicht an der Gegenseite- was, wo, wie und wann etwas passiert. Lasst uns darüber nachdenken- lasst uns darüber reden-lasst uns weitermachen. Eines ist jedoch sicher: Wir kommen wieder – immer da wo sie uns nicht haben wollen.
Keine Flughafenerweiterung, Nachtruhe von 22.00 bis 6.00 Uhr, Begrenzung der Flugbewegungen auf 380000, kein Bau des Terminal 3!