Memorandum
Wir, der Bürgerverein Brandenburg Berlin e.V. (BVBB), fordern eine sachliche Überprüfung der Standortentscheidung zum geplanten Neubau des Großflughafens Berlin Brandenburg International in Schönefeld.
Wir fordern einen Neuanfang, mit einer Sachprüfung auf der Grundlage der nachfolgend aufgeführten, international geltenden Kriterien für Standortentscheidungen von Flugplätzen:
1. Welcher regionale Bedarf begründet für die nächsten 50 Jahre eine Standortentscheidung und welche Kapazitäten sind erforderlich?
2. Welcher Bedarf für den Standort und welche Anforderungen werden von nationalen und internationalen Fluggesellschaften für diesen Zeitraum geltend gemacht?
3. Unter welchen Bedingungen ist der Standort im Hinblick auf mögliche Betroffenheiten der Bevölkerung in Standortnähe verträglich?
4. Wie werden die Gefahren aus möglichen Flugzeugkatastrophen und Terrorakten für die den Standort umgebenden besiedelten Gebiete eingeordnet?
5. Welche tatsächlichen Auswirkungen hat der Standort auf Siedlungsentwicklung, Naturschutz- und Erholungsgebiete?
6. Welche tatsächlichen Auswirkungen hat der Standort auf Wertverluste privaten Eigentums an Immobilien?
7. Welche gesundheitlichen Folgen hat die Lärmeinwirkung auf die betroffene Bevölkerung am Tage und in der Nacht; wie steht es um den Anspruch auf Sonn - und Feiertagsruhe?
8. Welche tatsächlichen Auswirkungen hat der Standort auf die Entwicklung von betroffenen Gemeinden, ihre sozialen Einrichtungen und die Freizeitgestaltung der betroffenen Bürger?
9. Welche tatsächlichen Auswirkungen hat der Standort auf die Struktur des Einzelhandels und welchen Bedarf an vermietbaren Immobilienflächen gibt es im Standortumkreis?
10. Ist aus Gründen der mit dem Standort zu erwartenden Verkehrsbelastungen ein Modalsplit vom wenigstens 70 % zu Gunsten des Öffentlichen Personen- und Nahverkehrs möglich?
11. Ist eine unbegrenzte und einschränkungslose Ausbaufähigkeit möglich?
12. Ist der Standort für den Neubau eines Großflughafens bei Vermeidung einer Belastung der öffentlichen Haushalte geeignet?
13. Kann ein Großflughafen am Standort langfristig wirtschaftlich betrieben werden?
14. Welche Entwicklungen für den Arbeitsmarkt sind auf Grundlage einer Arbeitsmarktpotentialanalyse zu erwarten?
Nach eingehender Prüfung der Antragsunterlagen zum beantragten Neubau eines Großflughafens am Standort Schönefeld und in Auswertung des Anhörungsverfahrens zum Antrag, haben sich die Unterzeichner davon überzeugt, dass für den Standort Schönefeld alle Fragen negativ beantwortet werden müssen, nicht eindeutig beantwortet werden können bzw. unbeantwortet bleiben.
Die Unterzeichner schließen sich darum dem Ergebnis des Raumordnungsverfahrens des Landes Brandenburg aus dem Jahr 1994 an. Schönefeld war, ist und bleibt ein ungeeigneter Standort für den geplanten Neubau eines Großflughafens.
Die 1996 getroffene Standortentscheidung ist sachfremd!
Die politische Entscheidung für den Standort Schönefeld wurde willkürlich aufgrund sachfremder Erwägungen getroffen und bis heute sachlich nicht begründet.
Diese sachfremde Entscheidung ist die Ursache für alle Probleme der Planung, Finanzierung und der gesellschaftlichen Unverträglichkeit die durch über 130.000 Einwendungen von Betroffenen 180 Einwendungen von Trägern Öffentlicher Belange und 17 Gemeinden eindrucksvoll, wie bei bisher noch bei keinem anderen Investitionsprojekt, bewiesen ist.
Bis zum heutigen Tage wurde diese sachfremde Entscheidung unverantwortlich mit weit mehr als 1 Mrd. Euro - ohne Personalkosten - zu 75 % aus den Haushalten von Brandenburg und Berlin bezahlt.
Nach dem bisherigen Stand der Planung und den bekannt gewordenen Risiken des geplanten Privatisierungsvertrages muss auch künftig mit Risiken für die öffentlichen Haushalte in Milliardenhöhe gerechnet werden.
Um weiteren Schaden für die Betroffenen, den Steuerzahler, die Gemeinden und das Ansehen von Brandenburg und Berlin abzuwenden, fordern die Unterzeichner einen sofortigen Stopp der Privatisierungsverhandlungen und eine Aussetzung des Planfeststellungsverfahrens.
Diese Forderungen werden wie folgt begründet:
Die willkürliche Standortentscheidung „Schönefeld" missachtet neben der Verschleuderung von Steuergeldern grundgesetzlich geschützte Rechte der Betroffenen, die Planungsrechte der Gemeinden und die Vorsorgeverpflichtung des Staates zum Schutz der Bevölkerung.
Im Zielkonflikt wirtschaftlicher Interessen versus grundrechtlicher Schutzgarantien nach Grundgesetz Artikel 2 und 8, haben sich die politisch verantwortlichen Parlamente, die Bundesregierung und die Landesregierungen von Brandenburg und Berlin widerrechtlich für die Privatinteressen zur Betreibung eines Flughafens und die Gewinnmaximierung von Privatgesellschaften zu Lasten von Betroffenen und des Steuerzahlers entschieden. Die Entscheidung ist politisch unverantwortlich, weil sie sich auf eine Missachtung von Recht und Schutzanspruch gründet.
Wenn Politiker willkürlich "mit allen Mitteln" gegen Schutzrechte, staatliche Vorsorgeverpflichtung und Grundrechte verstoßen, stellen sie die Machtfrage zwischen Politik und den Betroffenen.
Dabei nehmen sie für den Standort Schönefeld billigend in Kauf:
die Folgen von Flugzeugabstürzen in dichtbesiedeltem Gebiet mit einer Gefährdung unschuldiger Dritter (90 % aller Flugzeugabstürze passieren im Umkreis von 20 km der Flughäfen),
die Folgen terroristischer Anschläge vom Boden wegen unmöglicher Kontrolle von Einflugschneisen in besiedeltem Umfeld,
die Folgen gesundheitlicher Beeinträchtigung durch Fluglärm, Zerstörung der Nacht- und Wochenendruhe, flughafenbezogenen Verkehrslärm und Umweltverschmutzung durch Abgase und die schwere Beeinträchtigung von Flora, Fauna sowie Gewässern,
die Folgen von Wertzerstörung privaten Eigentums an Haus- und Grundbesitz (im Fall Schönefeld wenigstens 4 Milliarden Euro bei durchschnittlich 30% Wertverlust),
die Folgen für die Etablierung einer Sozialstruktur auf niedrigstem Niveau durch Flucht "Besserverdienender",
die Folgen einer Belastung der Infrastruktur durch das ständige unternehmerische Bestreben der Flughafenbetreiber, die Abfertigungszahlen und den Frachttransport zu steigern.
Es wird verschwiegen oder ignoriert, dass
- in den letzten 30 Jahren wegen der Belastung durch den Flugbetrieb weltweit kein Großflughafen in einem besiedelten Gebieten gebaut worden ist,
- die Entwicklung eines Flughafens nicht von der räumlichen Nähe zum Passagieraufkommen abhängig ist, sondern von seiner Erreichbarkeit zum Aufkommen im Radius von 150 km und seiner Funktion als Drehkreuz,
- ein Flugplatz, unabhängig von seiner Lage im Raum, bei Bau und Betrieb überall Arbeitsplätze schafft,
- Umlandgemeinden in ihrem Steueraufkommen frühestens 15 Jahre nach Inbetriebnahme vom Flughafen partizipieren (Gewerbesteuer ist investitionsabhängig, Körperschaftssteuer fällt am Sitz der Gesellschaft an),
- nicht vom Fluglärm betroffene Umlandgemeinden bei Wachstum der Bevölkerung aufgrund der Flughafennähe, eine Steigerung der Infrastrukturkosten (Erweiterungs- und Neubau von Straßen, Entwicklung von Wohngebieten, Bau von Schulen und Kindergärten, Sportstätten und Krankenhäusern) in Kauf nehmen müssen und damit ihre Haushalte überschulden,
- die grundrechtlich und menschenrechtlich garantierten Schutzrechte zur Erlangung wirtschaftlicher Ziele aufgegeben werden und dabei das Allgemeinwohl missachtet wird.
Ausgehend von den Grundsätzen einer humanen Gesellschaft, die sich auch an christlichen Grundwerten orientiert, besteht für verantwortliche Politik die Verpflichtung wirtschaftliche Interessen unter den Primat der gesellschaftlichen Verträglichkeit, der Vorsorge und der Einhaltung von Schutzrechten zu stellen. Sie muß darum prüfen und abwägen, ob der Betrieb der innerstädtischen Flughäfen in Berlin begründbar und zu verantworten ist.
Ein Neubau von Schönefeld zum Großflughafen ist ein Willkürakt gegen diese Grundsätze und in seinen Folgen nur eine Verlagerung der Belastungen des unvertretbaren Standorts Tegel nach Schönefeld. Flughäfen in innerstädtischen Lagen sind unverantwortlich!
Eine Schließung der innerstädtischen Berliner Flughäfen ist mittelfristig unumgänglich!
Die unterzeichnenden Gemeinden, Kirchen, Vereine, Verbände und Bürgerinitiativen fordern die mittelfristige Schließung aller drei Berliner Flughäfen, die Unterlassung des Neubaus eines Großflughafens in Schönefeld und eine neue, an vorher beschriebenen Grundsätzen und Prämissen orientierte Flughafenpolitik in Berlin und Brandenburg.
Es geht um einen Weg der Vernunft und nicht um die Durchsetzung politischer Macht!
Die Unterzeichnenden machen in diesem Memorandum einen Vorschlag, der einen Weg der Vernunft und Sachgerechtigkeit aufzeigt. Sie erklären, dass sie den Widerstand gegen die Neubaupläne von Schönefeld solange fortsetzen, bis alle innerstädtischen Flughäfen geschlossen sind. Gleichzeitig rufen sie die betroffenen Menschen in den Einflugschneisen von Tegel und Tempelhof auf, sich diesem Widerstand anzuschließen. Mit dieser Koalition erzwingen wir eine neue Flughafenpolitik, die nicht zu einer Verlagerung der Belastung führt, weil die Belastung durch den Flugbetrieb für alle Betroffenen gleichermaßen unzumutbar ist! Der schäbige politische Versuch die Betroffenen gegeneinander auszuspielen muss beendet werden.
Großflughafen BBI in Schönefeld, ein politisches Abenteuer - Die Fakten
Unabhängig vom geplanten, sogenannten Privatisierungsvertrag (Ankündigung für Ende Januar 2003) mit seinen unverantwortlichen Risiken für die Steuerzahler und der Belastung der Flughafennutzer mit den höchsten Flughafengebühren in Deutschland, ist das Projekt mit weiteren unabwägbaren Risiken für die Haushalte von Bund, Berlin und Brandenburg befrachtet.
Alle bisher bekannten Risiken beruhen auf parteilichen Angaben der PPS (Projekt-Planungsgesellschaft Schönefeld), der verantwortlichen politischen Parteien und der Gesellschafter. Sie stehen unter Vorbehalt des Planfeststellungsbeschlusses und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Vorgeschaltet vor diesen Entscheidungen ist die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts Brandenburg (voraussichtlich im 1. Quartal 2003) über die Rechtmäßigkeit der Planung. Je nach Ausgang dieser Entscheidung kommt es wiederum zu einer Klage vor dem OVG Frankfurt/Oder und/oder zu einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.
Unabhängig von diesen rechtlichen Risiken bestehen folgende Risiken mit weitgehend ungeklärten Konsequenzen:
Kosten der Schienenanbindung (PPS: 496 Mio. EURO), Untertunnelung der Nordbahn (PPS: 76 Mio. EURO),
Endkosten der Umsiedlung Diepensees (offene Kostenhöhe), Teilumsiedlung Selchow, Waltersdorf, Alt Glasow u.a. (offene Kostenhöhe),
Verlagerung sensibler Einrichtungen, wie KITAS und Schulen (offene Kostenhöhe),
Trog-Tunnellösung Dresdener Bahn (ohne nachvollziehbare Kostenhöhe),
Verlegung Anbindung Görlitzer Bahn (ohne nachvollziehbare Kostenhöhe),
Verlegung Gasleitungen (ohne nachvollziehbare Kostenhöhe),
Lärmschutzmaßnahmen (ohne nachvollziehbare Kostenhöhe),
Entschädigungen für Immobilien-Entwertung (offene Kostenhöhe),
Altlastenbeseitigung (ohne nachvollziehbare Kostenhöhe),
Schließung von Tegel und Tempelhof (offene Kostenhöhe),
Kosten der Grundstücksbeschaffung und Enteignungsverfahren (offene Kostenhöhe).
Weitere Risiken ergeben sich aus:
der Nichterfüllung der Bedarfsanalyse für die angenommene Wirtschaftlichkeit,
der fragwürdigen Durchsetzungsfähigkeit der geplanten Flughafengebühr,
der Entwicklung der Finanzierungs- und Baukosten während der Bauphase (hier ist erfahrungsgemäß ein Kostenaufschlag von 20 bis 30 % anzusetzen),
Erfolg oder Nichterfolg von Enteignungsverfahren zur Beschaffung benötigter Grundstücke.
Der Neubau von Schönefeld hat keine Bedarfsbegründung
Die bisherigen Prognosen für den geplanten Neubau sind im parteilichen Interesse der Gesellschafter völlig überzogen. Die in jüngster Zeit veröffentlichten Zahl über die geplante Kapazität von 17 Mio (eingereichte Planung in der ersten Stufe bis zu 30 Mio.). Passagieren/Jahr bei Eröffnung 2009 kann nur als Irreführung gewertet werden. Tatsache ist, dass diese Kapazität den Standort Schönefeld nicht begründen kann. Für diese Kapazität reicht Tegel! Die herangezogene Behauptung der Kapazitätsenge von Tegel ist unhaltbar. Die weitere Begründung einer Erlangung der Wirtschaftlichkeit des Berliner Flughafensystems durch den Neubau von Schönefeld ist ebenfalls unhaltbar. Tegel ist in seinem Flugbetrieb und mit seinem Passagieraufkommen der profitabelste Flughafen in Deutschland! Bei betriebswirtschaftliche Betrachtung des Systems ist die Unwirtschaftlichkeit in den Planungs- und Grundstückskosten sowie dem unwirtschaftlichen Betrieb von Tempelhof und Schönefeld begründet. Ebenso unwahr ist die Behauptung, das Berliner Flughafensystem (Tegel, Tempelhof und Schönefeld) könne Zuwachsraten über 15 Mio. Passagiere/Jahr bis 2015 nicht verkraften.
Der Gegenbeweis stützt sich auf folgende, unwiderlegbare Fakten:
Selbst bei Annahme einer Verdoppelung des Passagieraufkommens auf den Berliner Flughäfen in den nächsten 15 Jahren könnten dort ohne technische Schwierigkeiten weit über 30 Mio. Passagiere/Jahr abgefertigt werden.
Tegel hat bei der derzeitigen Kapazitätsregelung (35 Flugzeugbewegungen/ Stunde) eine tatsächliche Kapazität von 20 Mio. Passagieren/Jahr. Genutzt werden z.Zt. ca. 10 Mio./Jahr. Auch wegen dieser niedrigsten Kapazitätsauslastung (50 %) aller deutschen Großflughäfen hat die BBF zur Zeit keine zweifelsfreien rechtlichen Zwangsmittel, Fluggesellschaften auf den Standort Schönefeld zu zwingen. Jeder Fachmann weiß zudem, dass eine Erhöhung von 35 auf 45 Flugbewegungen/Stunde eine Abfertigung von 30 Mio. Passagieren/Jahr in Tegel ermöglicht. (London Gatwick fertigt mit einer Start- und Landebahn z. Zt. 32 Mio. Passagiere/Jahr ab). Das Problem Tegel liegt ausschließlich in der Terminalkapazität und nicht im Start- und Landebahnsystem. Eine Konzentration des Berliner Luftverkehrs ausschließlich auf den Standort Tegel würde diesen zum profitabelsten Flughafen in Europa machen.
Die ständig angekündigten Versuche, den Charterverkehr von Tegel nach Schönefeld zu verlagern, sind unehrliche Propagandaaussagen für die lärm- und katastrophenbelasteten Bewohner in der Einflugschneise von Tegel. Unabhängig von zweifelhaften Rechtsmitteln bezüglich eines Zwanges zur Verlagerung würde die Kapazitätsauslastung von Tegel - nach Verlagerung beispielsweise des Charterverkehrs nach Schönefeld - auf ca. 40 % sinken. Der heute profitable Flughafen Tegel würde in diesem Fall den Konkurs des Berliner Flughafensystems endgültig besiegeln.
Der Flughafen Schönefeld hat eine Kapazität von weit über 15 Mio. Passagieren/Jahr. Auch hier liegen, wie in Tegel, die Engpässe in der Terminalkapazität. Die Auslastung von Schönefeld lag in 2002 bei ca. 15%. Diese Auslastung macht Schönefeld unwirtschaftlich und in der Finanzierung seiner Sicherheitssysteme unvertretbar teuer. An dieser Situation würde sich entscheidend nichts ändern, wenn der Charterverkehr (durchschnittlich 850.000 Passagiere/Jahr) von Tempelhof nach Schönefeld verlagert würde.
Es ist unbestreitbar, dass Tempelhof eine politisch verordnete Abfertigungskapazität im Terminal von maximal 1,5 Mio. Passagiere/Jahr hat, die mit unter 850.000 Passagieren/Jahr stagniert. Ebenso bekannt ist, dass 1970 in Tempelhof noch 5,5 Mio. Passagiere/Jahr abgefertigt wurden. Auch hier sind erhebliche Kapazitätsreserven, die das Märchen von zu erwartenden Kapazitätsengpässen widerlegen.
Bei geringfügigen Investitionen in Terminalkapazitäten liegen darum die technischen Möglichkeiten des Berliner Flughafensystems bei weit über 45 Mio. Passagieren/Jahr.
Diese Fakten können nicht widerlegt werden. Das Berliner Flughafensystem hat nach Feststellungen der Bundesregierung die geringste Kapazitätsauslastung aller vergleichbaren Flughäfen in Deutschland und Europa.
Die vorhandenen Kapazitätsreserven und eine realistische Betrachtung einer möglichen Entwicklung des Berliner Flugverkehrs beweisen, dass Berlin und Brandenburg und die Bundesrepublik in den nächsten 10 Jahren keinen neuen Großflughafen benötigen. Ein Neubau von Schönefeld mit den geplanten Kapazitäten ist darum nur eine kostspielige und risikoreiche Verlagerung des Tegeler Flughafens nach Schönefeld. Schon darum muss vor dem Hintergrund der Risiken eines Neubaus die Flughafenpolitik in Berlin und Brandenburg von Illusionen, Größenwahn und fachlicher Stümperei befreit werden.
Neuanfang für Realismus und zukunftsorientierte Flughafenpolitik
Ein Neuanfang würde Berlin, Brandenburg und den Bund vor einem Abenteuer bewahren, das in seinen Auswirkungen auf Haushalte, Betroffene und Image unverantwortlich ist.
Es darf nicht sein, dass Kinder, Enkelkinder und Urenkel die Zeche bezahlen, die aufgrund einer sachfremden Entscheidung zu Stande gekommen ist. Es darf nicht sein, dass weiter öffentliche Mittel für den geplanten Großflughafenbau „Schönefeld" zu Lasten wesentlich wichtigerer Aufgaben der öffentlichen Hand tabuisiert werden.
Es geht um den Bau eines Großflughafens, der unabhängig von seiner Lage durch seine Abfertigungskapazitäten in Berlin ein innerstädtischer Flughafen ist. Die sachfremde Vorstellung, dass ein Flughafen nur mit innerstädtischen oder stadtnahen Start- und Landebahnen ein innerstädtischer Flughafen ist, muss überwunden werden.
Vor dem Hintergrund dieser unverzichtbaren Objektivierung einer neuen Flughafenpolitik müssen insbesondere die Standorte Stendal und Sperenberg vorurteilslos dem Standort Schönefeld gegenübergestellt werden.
In 11 Schritten zu einer neuen Flughafenpolitik:
1. Beeinflussen zu erwartende EU-Richtlinien, nationale Gesetze zum Schutz der Bevölkerung, Novellierung des Fluglärmgesetzes, neueste Erkenntnisse der Gesundheitsgefährdung durch Lärm, technischen Entwicklungen des Fluggeräts, Entwicklung des Cargo-Geschäfts und des europäischen Wettbewerbs vorhandene und neue Flughafenstandorte?
2. Wie können bis zur notwendigen Schließung der drei innerstädtischen Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld in den nächsten 10 Jahren Entlastungen für die Betroffenen herbeigeführt werden und wie sollten die betroffenen Gemeinden und Bürgerinitiativen in den Prozess einer neuen Flughafenpolitik einbezogen werden?
3. Wie kann die notwendige wirtschaftliche Kapazitätsnutzung der vorhandenen Flughäfen mit dem Ziel der Befriedigung möglicher Zuwachsraten in den nächsten 10 Jahren und die Herstellung der Profitabilität des Berliner Flughafensystems sichergestellt werden?
4. Sind Kooperationsmodelle mit anderen ostdeutschen Ländern und Flughafengesellschaften/Flughäfen möglich und wie kann eine Zusammenarbeit organisiert werden, die alle ostdeutschen Flughäfen als geeinten Anbieter auftreten lässt?
5. Sollte ein Zukunftsflughafen mit der klaren Chance der Wirtschaftlichkeit von der öffentlichen Hand oder von Privaten gebaut und betrieben werden?
6. An welchem Standort ist eine Entwicklung möglich, die Wirtschaftlichkeit im europäischen Flughafensystem sicherstellt?
7. An welchem Standort sind die geringsten Risiken für Mensch und Natur?
8. An welchem Standort wird im Interesse der Umwelt durch Anbindung an das Schienennetz der günstigste Modalsplit (Anreise individuell per PKW oder mit öffentlichem Verkehrsmitteln) erreicht?
9. Welcher Standort für die Start- und Landebahnsysteme und welches Konzept eines Großflughafens ermöglicht eine innerstädtische Passagierabfertigung bei günstigster Anbindung durch öffentliche Verkehrsmittel und schnellster Erreichbarkeit der Gates durch Schienenanbindung von der Abfertigung zur Rollbahn?
10. Welcher Standort bietet für die Entwicklung des Flugverkehrs, des Fluggeräts und der Ausbaufähigkeit der Infrastruktur für 100 Jahre die besten Voraussetzungen?
11. Für welchen absehbaren Bedarf können die Flächen der Berliner Flughäfen und des Baufeldes Ost beplant werden?
Kurzfristige Maßnahmen
Gefragt sind Sofortmaßnahmen zur Rettung der BBF vor Konkurs und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte.
Der Neuanfang muss zum Abbau von Schulden der Berlin Brandenburger Flughafengesellschaft (BBF) und damit öffentlichen Haushalte genutzt werden, die die Schulden der BBF tragen müssen.
Dieses Ziel soll über folgende Wege erreicht werden:
- Die Berliner Flughäfen werden zu einer Managementgesellschaft zusammengefasst und als Privatunternehmen konzipiert und geführt.
- Die gegenwärtigen Eigentümer (Berlin, Brandenburg, Bund) bleiben Eigentümer einer neu zu gründenden "Flughafen Aktiengesellschaft" Berlin Brandenburg (FABB), die die Flughäfen und die Tochtergesellschaften der heutigen BBF bis zur Privatisierung betreibt.
- Die Gesellschafter der FABB öffnen, mit dem Ziel der Privatisierung, die Aktiengesellschaft für kapital - und private Anleger und bereiten die Gesellschaft auf einen Börsengang innerhalb von 3 Jahren vor. Langfristiges Ziel ist eine Maximalbeteiligung der Öffentlichen Hand von 25%.
- Der Aufsichtsrat der Gesellschaft wird ausschließlich mit parteiunabhängigen Experten besetzt. Er führt die Gesellschaft politikfrei nach unternehmerischen Gesichtspunkten und setzt einen Vorstand ein, der keinem parteipolitischen Proporz unterliegt.
- Aufsichtrat und Vorstand der neuen FABB betreiben eine neue Standortsuche unter Einbeziehung der Flughafengesellschaften und Landesregierungen der neuen Länder.
Entscheidungen sind gefordert
Die Unterzeichnenden legen dieses Memorandum als ihren Vorschlag für eine Lösung vor, die im Gegensatz zu den Neubauplänen von Schönefeld eine sachgerechte Entscheidung einleitet und die Fortsetzung der sachfremden Entscheidungen stoppt. Es geht um eine Versachlichung der Berlin-Brandenburger Flughafenpolitik und darum, aus Fehlern zu lernen. Es geht um eine Flughafenpolitik die die neuen Länder gegenüber den westdeutschen Standorten Wettbewerbsfähig macht und einen Standort anbietet, der aufgrund seiner Lage ohne Einschränkungen betriebstauglich ist.
Ausblick
Ein neuer Großflughafen für die Region ist nur als Integrationskonzept der neuen Länder sinnvoll und wirtschaftlich vernünftig. Mit einem Integrationskonzept für einen Zukunftsflughafen würden die neuen Länder ein wettbewerbsfähiges Gegenkonzept gegen die entschlossenen Versuche westdeutscher Flughafenbetreiber umsetzen, die den Zukunftsmarkt des Luftverkehrs monopolisieren wollen. Mit dem richtigen Standort für die Zukunftsentwicklung des Luftverkehrs können die neuen Länder etwas anbieten, was an westdeutschen Standorten nicht mehr möglich ist - einen Großflughafen mit unbegrenzten Ausbaukapazitäten und unbegrenzter Nutzung im Tag- und Nachtflugbetrieb. Nur ein Flughafen mit diesen Voraussetzungen ist international gefragt und wettbewerbsfähig.
Wir, die Unterzeichner, auch in Vertretung von 70.000 direkt betroffenen Einwohnern in 18 Gemeinden und 100.000 Erholungssuchenden (Datschenbesitzer, Angler, Wassersportler, Jogger, Wanderer und Radwanderer) in den Erholungsgebieten im Südosten und Süden von Berlin, fordern die Verantwortlichen auf, sich auf der Grundlage dieses Memorandums einer konstruktiven zukunftsgewandten Diskussion zu stellen.