Unveröffentlichter Leserbrief zum Artikel "Verheimlicht, manipuliert, mit zweierlei Maß gemessen"
von Peter Neumann
in der Berliner Zeitung vom 12./13.11.2011, Seite 23
Sehr geehrter Herr Neumann,
die Deutsche Flugsicherung (DFS) hat nicht erst in den vergangenen Monaten manipuliert und bestimmte Flugrouten nicht ernsthaft geprüft. Sie hat sich schon vor Beginn des Planungsverfahrens für den BBI/BER aktiv an einem der größten Planungsskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte beteiligt! Der simple Vorwurf, der gegenwärtig in verschiedenen Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht erhoben wird, lautet, dass die Bürger bei diesem Planungsverfahren von Anfang an vom Rechtsstaat betrogen wurden.
An der Vorbereitung und erfolgreichen Durchsetzung dieser Täuschung waren allerdings außer der DFS auch die Brandenburgische Luftfahrtbehörde, die Flughafengesellschaft und das Bundesverkehrsministerium beteiligt. Kernpunkt der Täuschung ist die im Oktober 1998 zwischen diesen Beteiligten einvernehmlich getroffene Verabredung, die für den schon damals beabsichtigten unabhängigen Betrieb des Parallelbahnsystems am BBI/BER zwingend nötigen divergierenden Abflugrouten auf keinen Fall im Planungsverfahren zu berücksichtigen. Die Gründe für das konspirative Vorgehen liegen auf der Hand: Zum einen konnte mit parallel verlaufenden An- und Abflugwegen der "Lärmumgriff" des Flughafens minimiert und dadurch der bei dem Planungsverfahren mit Sicherheit zu erwartende Widerstand aus der Öffentlichkeit so weit wie möglich reduziert werden. Er richtete sich zu diesem Zeitpunkt auch gegen den für das Projekt vorgesehenen Standort. Dessen rechtliche Absicherung im LEP FS erfolgte übrigens ebenfalls unter der Annahme lediglich parallel verlaufender Flugrouten, was für die noch bevorstehenden Klageverfahren von erheblicher Bedeutung sein dürfte.
Zum anderen sollte ein durch Neuplanung erzwungener weiterer Zeitverzug im Verfahren vermieden werden. Das Projekt sollte unbedingt von den Vorzügen des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes profitieren, das nach damaliger Rechtslage nur bis Ende 1999 galt. Die Täuschung war erfolgreich, denn weder die Öffentlichkeit noch das Bundesverwaltungsgericht erkannten, dass die 2004 genehmigte Planung mit den zugrunde gelegten parallelen Flugrouten überhaupt nicht realisierbar war. Die Genehmigung dieser Planung im Planfeststellungsbeschluß war zweifellos rechtswidrig und hat seine Ungültigkeit zur Folge. Übrigens waren die im Planungsverfahren verwendeten parallelen Abflugrouten ausgerechnet diejenigen, die den Forderungen der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation in keiner Weise genügten.
Als die Täuschung verabredet wurde, war das allen Beteiligten bestens bekannt. Jede wie auch immer geartete Berücksichtigung divergierender Abflugrouten hätte zumindest den Ansatz einer Konfliktbewältigung durch Planer und Behörde erkennen lassen. Dass davon kein Gebrauch gemacht, sondern der Öffentlichkeit eine Planung präsentiert wurde, die mit den zugrunde gelegten Flugrouten von vornherein nicht realisierbar war, ist der wirkliche Skandal. Die DFS stellte im September 2010 folglich nicht "neue" Flugrouten vor, sondern im wesentlichen diejenigen Flugrouten, von denen alle genannten Beteiligten schon seit Oktober 1998 wussten, dass sie für den unabhängigen Betrieb des Parallelbahnsystems unumgänglich sein würden. Ich bin sehr gespannt auf die groteske Situation, dass in wenigen Monaten Politiker sicher mit einigem Pomp in Schönefeld einen Flughafen-Schwarzbau eröffnen werden! Sein zukünftiges Schicksal wird auch davon abhängen, wie nationale und europäische Gerichte mit diesem in der deutschen Rechtsstaatlichkeit einmaligen Vorgang umgehen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Gunnar Suhrbier