BVBB Bürgerverein Berlin Brandenburg e.V.

Offenbach, den 30. Juni 2016

Sehr geehrter Herr Fahrun,

da ist keine "Vernunft" eingekehrt. Da wurde die Kontinuität gewahrt. Es werden keine Probleme gelöst, es wird nichts beschleunigt, die Kosten dafür aber wieder einmal vervielfacht und neue Probleme geschaffen.

Ein Bahnhof für 90 Millionen (Mio.) Fahrgäste? Prima, man muss die Bahn loben. Da wurde für die Zukunft gebaut. 33 Mio. Passagiere wurden in der Planfeststellung für die Auswirkungsbetrachtungen des Flughafens eingestellt. Betriebsflächen, mit denen 45 Mio. Passagiere abgefertigt werden können, wurden genehmigt. Das war 2004. Danach ging alles schief. Man plante und baute nicht für die Zukunft, sondern beständig hinter der Nachfrage her. Man lobt sich ein erfolgreicher Standort zu sein, der schon vor der Betriebsaufnahme erweitert werden muss. In Fachkreisen nennt man so etwas Fehlplanung. Das geschieht auch mit diesem "Kompromiss".

Welche Maßeinheit bei der Bahn für die Dimensionierung der Bahnanlagen genommen wird, weiß ich nicht. Ich bin Flughafenplaner und Architekt. Bei der Flughafenplanung ist die 30. Spitzenstunde im Jahr die Bemessungsgrundlage. Für 22 Mio. Passagiere - die werden ja jetzt unterstellt, sind dies 7.700 Passagiere pro Stunde. Ich bin auch Architekt und weiß, dass für die Entrauchungsplanung ein Gleichzeitigkeitsfaktor - wie viel Personen sich innerhalb einer Stunde im Bereich aufhalten - maßgeblich ist. Für den Brandfall sollte man aus Vorsorgegründen vom Maximalwert ausgehen. Alles andere wäre nicht kontrollierbar und würde im Brandfall zu einer möglichen Katastrophe führen.

Jetzt soll aber auch noch das LCC-Terminal T2 - Verlängerung Nord-Pier - mit acht bis zehn Millionen Passagiere über diesen Bahnhof erschlossen werden, sodass die Bemessungsgröße bei über 11.000 Menschen pro Stunde liegen würde. Der Kompromiss begrenzt diese Zahl aber auf maximal 7.700. Damit ist aber die Erschließung des T2 nicht mehr gesichert. Ist aber eine Erschließung nicht sichergestellt, darf das Bauordnungsamt keine Baugenehmigung erteilen. Man hat also ein Problem "gelöst" und eine neues Problem erzeugt. Auch dies ist typisch für das Geschehen um den BER.
FOC.

Weiter verhindert der Kompromiss ja nicht, dass die richtige Lösung gebaut werden muss.
Der Kompromiss verschiebt nur, erhöht die Baukosten deutlich und reduziert, während der Bauzeit der endgültigen Lösung, die Kapazität des betroffenen Bereichs. Auch hier wird Kontinuität gewahrt: Engpässe, wohin man schaut. Von einem hohen Servicestandard und einer adäquaten Bedienung der Nachfrage ist man weit entfernt.

http://www.morgenpost.de/meinung/article207739147/Am-BER-kehrt-neue-Vernunft-ein.html
27.06.2016, 19:39
Flughafen Am BER kehrt neue Vernunft ein
Der Bahnhof am BER
Von Joachim Fahrun
Der Verzicht auf den überzogenen Brandschutz im Bahnhof ist vernünftig, bedurfte aber eines Gipfeltreffens. Ein kommentar von Joachim Fahrun.
Beim BER haben wir ja schon allerlei Merkwürdiges erlebt. Da hätte es das staunende Publikum kaum überrascht, wenn eine termingerechte Eröffnung des neuen Berliner Flughafens diesmal an einer reichlich überzogenen Behördenvorgabe gescheitert wäre. Wobei termingerecht angesichts diverser Verschiebungen des BER-Starts natürlich nur relativ ist.
Es bedurfte offenbar großer Anstrengungen und des persönlichen Einsatzes der höchsten politischen Ebenen, um das Problem zu lösen. Um der Erkenntnis Raum zu verschaffen, dass man keinen Brandschutz für Szenarien vorausberechnen muss, die komplett unrealistisch sind. Dass so viele Passagiere mit der Bahn zum BER anreisen, dass gleich fünf Züge zur selben Zeit in die Station rasen müssen, ist nicht zu erwarten. Daher macht es auch keinen Sinn zu simulieren, ob die Brandschutzanlage so gut arbeitet, um auch für diesen Fall zu verhindern, dass im Brandfall Rauch aus dem Terminal auf die unterirdischen Bahnsteige gesaugt wird.
Was dem gesunden Menschenverstand auf Anhieb einleuchtet, muss für Juristen in den Genehmigungsbehörden aber erstmal auf höchster politischer Ebene verabredet werden. Jetzt kann das Bauordnungsamt schon mal die nicht für das letzte Extremszenario getestete Entrauchungsanlage genehmigen, der Bau daran kann weitergehen. Und es gibt wieder Hoffnung auf einen BER-Start im Herbst 2017.
Dass eine solche pragmatische Lösung einen dramatischen Gipfel inklusive umfangreicher Vorabsprachen benötigte, belegt ein weiteres Mal ein zentrales Problem des BER-Projekts. Die Gesellschafter ziehen eben nicht immer an einem Strang, es geht nicht allen stets darum, das vermaledeite Vorhaben endlich zu einem Ende zu bringen und den Hauptstadtflughafen zu eröffnen. Wenn solche Gipfeltreffen das ändern, darf der Regierende Bürgermeister gerne weitere solcher Runden einberufen.