BVBB Bürgerverein Berlin Brandenburg e.V.

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin   am 11.04.2011


Sehr geehrte Frau Pop, sehr geehrter Herr Ratzmann,
Sehr geehrte Damen und Herren der Fraktion,

Sie haben, meines Wissens am 02.April 2011, eine Antwort des Ehrenvorsitzenden des BVBB (Bürgerverein Brandenburg-Berlin e.V.) Herrn Ferdi Breitbach auf Ihren offenen Brief erhalten.
Ich möchte mich vollumfänglich den Ausführungen des Herrn Breitbach anschließen.
Als Betroffene und Privatperson komme ich nicht umhin, Ihnen unsere  Situation als Anwohner noch deutlicher vor Augen zu führen. Ich sehe mich gezwungen die Gelegenheit zu nutzen, meine grenzenlose Enttäuschung von der politischen Entwicklung Ihrer Partei in Berlin zum Ausdruck zu bringen, die sich auch niederschlägt in Ihrer Haltung zu diesem Wahnsinnsprojekt BBI.
Es dürfte Ihnen bekannt sein, dass sich der BVBB seit Anbeginn der leidigen Diskussion um den Ausbau des Flughafens Schönefeld organisiert hat und für die Interessen der Anwohner, egal welcher Himmelsrichtung, streitet. Die Politik hat es versäumt, sich ehrlich und fair mit den Argumenten der Anwohner der zu höchst betroffenen Gebiete auseinander zusetzen.  Während des gesamten Verfahrens mussten die Bewohner feststellen, dass sie zwar sprechen durften, aber ihre Positionen überhaupt nicht von Belang waren. Dieser Standort musste gegen allen Widerstand durchgepeitscht werden, insbesondere auch gegen die Entscheidung des Raumordnungsverfahrens. Spätestens an diesem Punkt hätte das demokratische Stimmvolk erkennen müssen, wie viel Wert unsere durch eine parlamentarische Demokratie legitimierten Vertreter auf sachliche Argumentationen, Nachhaltigkeit, Sinnhaftigkeit, Ökonomie und Ökologie legen. So muss man sich nicht wundern, dass der Unmut wächst und die Politik der Korruption und des Lobbyismus bezichtigt wird.  Die Politik hat es geschafft, den Flughafenbau fast abzuschließen, ohne dass  die Mehrzahl der in Zukunft betroffenen,  gutgläubigen Bewohner gemerkt hat, dass sie dem Fluglärm ausgesetzt wird. Jetzt gibt es den ersten, flächendeckenden Aufschrei um die Flugrouten. Wie kann denn eine Demokratie funktionieren, indem Betroffenengruppen gegeneinander ausgespielt werden! Sind wir in einer „Bananenrepublik“?! Entweder ertragen alle die Last oder Keiner! ... Und unter „Alle“  verstehe ich auch die gesamte Berliner Bevölkerung, denn sie streiten ja noch so vehement für das Projekt! Warum soll Berlin-Mitte von Fluglärm und Dreck ausgespart werden? Sicherheit???  Gibt es gute und schlechte Menschen, 1. und 2. Klasse?
Sie wären die Einzigen, die den Menschen endlich sagen könnten, wer, wie laut, wie oft am Tag bei 360 000 Flugbewegungen im Jahr – das sind 1000 täglich – in welcher Höhe im An- und Abflug überflogen wird, die Warteschleifen und die Variabilität der Flugrouten eingerechnet(!)  und somit  Lärm und Feinstaub zu ertragen hat! Sie hätten die Pflicht, aufzuklären über die Gefahren von Lärm und Emissionen –Sie waren ja auch die Streiter für
den Emissionsschutz in der Innenstadt. (Zur Kurzinformation gebe ich Ihnen einen Link über die Emissionen am Flughafen Wien: http://www.fluglaerm.at/liesing/Gesundheit/Feinstaub.html)

Die Diskussion um Flugrouten ist Betrug! Der Standort ist falsch!

Sie opfern Ihre Identität für dieses Projekt und das ist unfassbar! Diese Partei ehemals der  Hoffnungsträger für eine menschlichere Umwelt, für Nachhaltigkeit, für den aktiven Schutz von Fauna und Flora, für einen sensiblen Umgang mit unserer Natur, dafür, dass unsere Kinder und Enkel  einen lebenswerten Raum für ihre Entwicklung vorfinden und gegen Turbokapitalismus, gegen den ungebremsten Konsum, gegen die absolut beherrschende Macht der Wirtschaft! Wo sind Ihre Maxime!
Von wie vielen Hauptstädten der Welt wird Berlin beneidet gerade wegen seiner „Grünlage“. Das Umland dieser Großstadt ist so besonders und so wertvoll für die Menschen in dieser Stadt. Ehemals Westberliner genießen es seit Jahren, endlich „atmen“ zu können!
Waren Sie schon einmal in Berlin- Hessenwinkel? Hier bin ich aufgewachsen und hier, und nur hier fühle ich mich zu Hause!
Sind Sie schon einmal in Neu Venedig über die vielen kleinen Brücken, die sich über die vielen kleinen Kanäle spannen, Ruhe findend geschlendert? 
Haben Sie schon einmal ein Paddel- oder Ruderboot bestiegen und sind mit eigener Muskelkraft über die vielen Kanälchen, über die weiten Seen oder durch den Umweltkanal, diesem einzigartigen Feuchtbiotop, abseits des Gosener Kanals ehrfürchtig gegenüber der Schönheit und Unberührtheit dieser noch verbliebenen Natur gepaddelt?
Haben Sie schon mal das Fahrrad genommen und sind durch die weitgestreckten Wälder zwischen Müggelsee, Dämeritzsee bis Alt Buchhorst oder Langen See, Seddinsee, Zeuthener See bis Zeuthen, Miersdorfer Werder oder Wernsdorf geradelt?
Ist Ihnen bekannt wie viele Feucht- und Trockenbiotope in diesem Bezirk und im angrenzenden Brandenburg als schützenswert eingestuft wurden?
Haben Sie schon die Kraniche auf den Gosener Wiesen und nicht nur an den Havelseen gesehen oder beobachtet, wenn sie hoch oben am Himmel ihre Formation finden? Wissen Sie wie viele es sind und wie wir sie am besten vor uns schützen können?
Wissen Sie, dass der Eisvogel wieder erfolgreich in diesem Gebiet brütet? Was kann er an Lärm, Abgasen und Feinstaub verkraften? – mehr oder weniger als wir?
Wenn Sie dies alles so empfinden würden, wie wir unser Zuhause empfinden, würden Sie auf unserer Seite stehen. Doch Sie können es wohl  nicht nachempfinden! Aber müssen Sie es mit Ihrer aktiven Unterstützung des Projekts BBI am Standort Schönefeld auch zerstören?!

Sind diese kleinen, äußerst begrenzten Rückzugsgebiete nicht mehr erhaltenswert und opfern wir alles, aber auch alles einer ungebremsten, zügellosen Wirtschaftsentwicklung? Haben Sie sich zum Handlanger der Wirtschaft degradieren lassen?
Treten die „Grünen“ nicht mehr für ein Leben im Einvernehmen mit unserer natürlichen Umwelt ein? Oder sehen Sie Ihren Wirkungskreis nur noch in der Unterstützung „portabler Gemüsegärten“ in der Berliner Innenstadt, um das innerstädtische Leben doch einwenig näher an unsere natürliche Umwelt heranzuführen?

Es enttäuscht mich so maßlos, dass „Bündnis 90 – Die Grünen“  trotz besseren Wissens einer Gefahr für die Gesundheit  es zulassen, dass hunderttausende Menschen durch Fluglärm und Flugemissionen gefährdet werden, weil die Wirtschaft und die Politik diesen und nur diesen Standort Schönefeld haben wollten, gegen die Interessen derjenigen, die gefährdet werden. Die Bevölkerung im Südosten des Bezirks Köpenick mit den Ortslagen Friedrichshagen, Rahnsdorf, Wilhelmshagen und Hessenwinkel soll geopfert werden für eine sichtbar falsche Entscheidung.

Ich denke, wir haben ein Recht, dass unsere Stadt auch unsere Interessen schützt. Und diese werden nicht nur durch ein für mich selbstverständliches Nachtflugverbot erreicht! Denn wir leben nicht nur in der Nacht! Wir haben ein Recht auf freie Entfaltung und nicht auf passiven Lärmschutz in Räumen! Wir haben Grundstücke, das macht unser Leben aus und wir zahlen Grundsteuer dafür! Wir leben in und mit der Natur, wir bauen Obst und Gemüse an, sorgen für  schöne und gepflegte Ortsteile, die auch einen hohen  Freizeitwert für die „Großstädter“   bieten.
Dass wir uns in schallgeschützte Häuser (oder besser noch: Schlafräume) mit künstlicher Belüftung  verkriechen sollen, ist lebenslanges Zuchthaus mit anschließender Sicherheitsverwahrung, also Höchststrafe!

Wir sind unschuldig!
Unsere ganze Hoffnung ist ein Wiederaufnahmeverfahren mit anschließender Revision!
Ich hoffe sehr, ich konnte eine Diskussion in der Berliner Fraktion auslösen. Denken Sie bitte daran, dass Sie „grün“ sind und nicht in die „graue“ Masse der nichtwählbaren Parteien abdriften. Das haben Ihre Vorstreiter nicht verdient!

Der Standort Schönefeld ist falsch!


Bitte erkennen Sie das endlich und kämpfen Sie mit uns!  Es ist ein Hilferuf!


Elke Schulze,
mit Unterbrechung seit 1960 wohnhaft in Hessenwinkel