Die Schwarz’sche Ungleichung:
0 < N < 1 --> N = 6
im Blickfeld des bestehenden Planfeststellungsbeschlusses BBI/BER
Was ist eigentlich vom höchst richterlich bestätigten Planfeststellungs-beschluss – soweit es den Flugbetrieb und die davon abhängige Lärm-verseuchung des Flughafenumlandes betrifft – nach dem jetzt veröffentlichten Beschluss des Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung zu den „Neuen Flugrouten“ noch übrig geblieben ? - - - nichts !
Aber das ist ja noch nicht alles. Das wird so richtig deutlich, wenn man sich das Protokoll der 33. Sitzung des Ausschusses für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landtags Brandenburg vom 17. 1. 2012 zu Gemüte zieht und liest, was sich dort die Vertreter der Flugverkehrslobby, insbesondere die Herren Minister Vogelsänger (MIL), Bretschneider (Planfeststellungsbehörde) und Prof. Schwarz (FBS) so zusammenreimen, um den an sich geltenden Planfeststellungsbeschluss zu ihren Gunsten neu zu interpretieren.
Was bleibt denn nun eigentlich von diesem Beschluss übrig ?
1. Die ursprünglich bis auf jede einzelne Flugbewegung nach Flugzeugtyp und Flugherkunft bzw. –ziel als Grundlage für die Begründung für den Ausbau (nahezu Neubau !) des bisherigen Flughafens Schönefeld prognostizierte Gesamtzahl der Flugbewegungen (360000 im Jahr, etwa 195000 in den sechs verkehrsreichsten Monaten eines Jahres), deren Richtigkeit und damit Gültigkeit für das Jahr 20XX (etwa 2023 ... 2030) von den Flughafenplanern und der Flughafenlobby als bedarfsgerecht in allen Diskussionen um deren Realität (Planfeststellungsantrag, Gutachten M1 bis M9, Anhörungen, usw.) verbissen verteidigt worden sind, sind inzwischen restlos überholt.
2. Der dafür vorgesehene Flugzeugmix – insbesondere hinsichtlich der sehr lauten, schweren Flugzeuge – ist inzwi-schen mehrfach korrigiert worden, zuletzt in den Planergänzungsdokumenten und den sogenannten „Abwägungs-DES“, die z. Zt. die Grundlage für die inzwischen mit den veröffentlichten „Neuen Flugrouten“ für Lärmberechnungen durch das Umweltbundesamt (UBA) und die Deutsche Flugsicherung (DFS) genutzt worden sind.
3. Mit diesen DES-Daten spricht man gar nicht mehr von 360000 Flugbewegungen im Jahr 20XX (195000 Flugbewegungen in den sechs verkehrsreichsten Monaten des Prognosejahres 20XX), sondern nur noch von ca. 145000 Flugbewegungen in den sechs verkehrsreichsten Monaten des Jahres 2015 ohne jeglichen Anteil eben dieser sehr lauten und schweren Flugzeuge der Klassen S6.3, S7 und S8. Dadurch kann selbstverständlich weder die endgültige Lärmbelastung im Flughafenumfeld mit der ursprünglich mit großem Gutachtenaufwand prognostizierten Lärmbelastung verglichen werden, noch liefern die jetzt möglichen Berech-nungen vernünftige, belastbare Daten und Ergebnisse, auf denen endgültig notwendige Schallschutzmaßnahmen festgelegt werden können. Man mutet den jetzigen Flughafenanwohnern tatsächlich zu, die mit den entsprechenden Umbaumaßnahmen mit allen ihren Unzulänglichkeiten verbundenen Belästigungen ertragen zu müssen, um dann ggf. nach 2015 den ganzen „Zirkus“ zur Herstellung des endgültig notwendigen Zustandes erneut erdulden zu müs-sen.
4. Mit vorgehaltener Hand sind aber in den Köpfen der Flughafenbetreiber auch schon jährliche Flugbewegungszahlen bis zu etwa 540000 „verankert“, die dann erreicht werden können, wenn die vorhandene Flughafenkapazität – bedingt durch restlose Ausnutzung der Start- und Landebahnen sowie Vorfelder – voll ausgeschöpft werden kann.
5. Wie wir alle wissen, ist selbst die Erweiterung durch eine „dritte Start- und Landebahn“ – z.Zt. heftigst abgestritten; aber dennoch in den „geheimen“ Plänen vorhanden – mehr oder weniger für die Zukunft ins Auge gefasst und als Ausbauoption nicht wegzuleugnen.
6. Mit den neuen DES-Daten sind völlig neue Flugroutenführungen sowohl für die Anflüge, als auch insbesondere für die Abflüge den jetzt durchgeführten Lärmberechnungen zu Grunde gelegt worden. Sie sind dadurch weder von den Zielrichtungen (TRT, GILAS, SUI, MAG, BKD) mit den bisher gültigen Planfeststellungsaussagen vergleichbar, noch können auch nur annähernd brauchbare Vergleiche mit den in den aufwendigen Gutachten M4, M4.1, M4.2 durchgeführten Lärmuntersuchungen vorgenommen werden. Alle diese Gutachten sind schlicht und ergreifend als Makulatur anzusehen, ohne wenn und aber. Sie sind nicht das Papier wert, auf dem sie abgedruckt worden sind.
7. Man vermeidet seitens der offiziellen Flughafengesellschafter eine sofortige Veröffentlichung der für die jetzigen Lärmberechnungen erforderlichen und gültigen DES-Daten, so dass auch den fachlich versierten Vertretern der Bürger-bewegungen jegliches Nachvollziehen der jetzt zu erwartenden Lärmbelastungen unmöglich gemacht wird, d.h. es ist nicht möglich, auf der Basis der jetzt bekannten Flugrouten und deren Belegung durch Anteile des gesamten Flugzeug-mixes eigene Kontrollrechnungen durchzuführen.
All diese Fakten bilden also keine Grundlage dafür, gegenüber der Planfeststellungsbehörde, den Gesellschaftern und insbesondere dem Flughafenbetreiber mit seinem Geschäftsführer Prof. Schwarz und seinem Sprecher, Herrn Kunkel, auch nur ein annähernd zielführendes Vertrauen aufzubauen.
Bisher wurde die vom künftigen Fluglärm betroffene Bevölkerung im weiten Umfeld des künftigen Flughafens BER nach Strich und Faden belogen und betrogen. Es wurden Fakten vertuscht und – auch unterstützt durch zahlreiche Medien aller Art – durch Falschinformationen, Halbwahrheiten, völlig falsche Vorstellungen unter der Bevölkerung verbreitet, mit welchen Konsequenzen sie nach dem vollen Betrieb dieses Flughafens zu rechnen haben.
Aber das ist ja längst noch nicht alles:
1. Mit viel Agitation und Propaganda wurde ein „freiwilliges“ Schallschutzprogramm seitens der Flughafengesellschaft ins Leben gerufen, mit dem die Betroffenen ruhig gestellt werden sollen. Abgesehen davon, dass die Flughafengesellschaft dazu „gesetzlich verpflichtet“ ist, den erforderlichen Schallschutz zu gewährleisten, der einerseits durch Gesetze und Verordnungen und andererseits durch den vom Gericht bestätigten Planfeststellungsbeschluss definiert ist, versucht man mit allen Mitteln, nun auch den ohnehin extrem geschädigten Flughafenanwohnern durch kleinliche, bürokratische, nicht nachvollziehbare. Einschränkungen ihre Rechte auf notwendigen Schutz zu verwehren und ihr weiteres Leben unnötig zu erschweren.
2. Das beginnt mit nicht koordinierten Objektbeurteilungen zur Vorbereitung der Entscheidungen, welche Schallschutzmaß-nahmen vor Ort erforderlich werden. Hier zeigt sich, dass für vergleichbare Objekte – je nach tätigem Ingenieurbüro mit seinen zum Teil nicht ausreichend qualifizierten Mitarbeitern, die die Objektbestandsaufnahme durchgeführt haben – sehr unterschiedliche Objektbeurteilungen zu Stande gekommen sind, die nicht nachvollziehbar sind. Es zeigt sich weiterhin, dass die Auslegung der für die Bemessung der notwendigen Schallschutzmaßnahmen zu Rate gezogenen Vorschriften (z.B. DIN 4109) sehr unterschiedlich vorgenommen worden sind, so dass gravierende Unterschiede bezüglich der letztendlich von der FBS festgesetzten Maßnahmen und damit verbundenen genehmigten Kosten die Folge waren.
3. Das setzt sich fort, indem auch seitens der FBS mit allen erdenklichen Mitteln versucht wird, Festlegungen im Planfeststellungsbeschluss nach eigenem Gutdünken und selbstverständlich zum Schaden der Fluglärmbetroffenen so zu interpretieren, dass die ohnehin schon „kleingerechneten“ Kosten für die Schallschutzmaßnahmen im Interesse des Flughafenbetreibers noch weiter reduziert werden können. Man schämt sich nicht, hier angesichts eines sehr kostenintensiven Großvorhabens, das mit Mitteln des Steuer-zahlers errichtet wird, an notwendigen Schallschutzmaßnah-men zu sparen, die im lächerlichen Prozentbereich der Gesamtkosten des „größten Infrastrukturvorhabens Branden-burgs“ liegen. Da werden z.B. Lüfterlösungen realisiert, die zu Bauschädigungen führen. Da verweigert man den Austausch aller Fenster eines Raumes, obgleich dadurch der äußere Anblick der Gebäudefassade „verstümmelt“ wird. Da weigert man sich, bestimmte Räume in die Schallschutz-maßnahmen einzubeziehen, weil die Decke einige Zenti-meter zu niedrig oder die Wohnfläche einige Quadratmeter zu klein ist. In dieser Hinsicht ließen sich noch weitere Beispiele nennen, die zeigen, wie unwürdig und „kleinkariert“ mit den Menschen, insbesondere älteren Menschen, umge-gangen wird.
4. Das beste Beispiel hierfür ist der Versuch des Herrn Prof.
Schwarz; aber auch von Vertretern der Planfeststellungsbehörde (MIL), die Gesetze der Mathematik neu zu erfinden.
Im Planfeststellungsbeschluss ist eineindeutig festgelegt (Teil A, S. 105) , „dass bei geschlossenen Fenstern am Tage im Rauminneren keine A-bewerteten Maximalschallpegel ober-halb von 55 dB(A) auftreten dürfen“. Keine Überschreitung heißt aber eindeutig: „keine“, d.h. Ntag = 0. Auf der Seite 562 im Teil C wird weiter festgestellt, „dass die Nichtüberschreitung des Innenwertes Lmax von 55 dB(A) ein von der Planung und Rechtsprechung anerkannter Wert sei“. Auf den Seiten 564, 578, 626 wird ausdrücklich wiederholt, „dass Maximalpegel im Raum 55 dB(A) nicht überschreiten dürfen.“ Hier wird „nicht“ geschrieben und „kein“ gemeint, und zwar absolut, und kein Wort von „durchschnittlich ein“. Hier steht auch nicht: „durchschnittlich weniger als einmal“, also Ntag < 1, was nicht gleichermaßen Ntag = 0 bedeutet, denn Ntag < 1 heißt auch durchschnittlich weniger als einmal an jedem Tag der 180 Tage der sechs verkehrsreichsten Monate und kann durch die Bedingung sehr weit reichende Bedingung 0 < Ntagges < 179 erfüllt werden.
Nun meldet Herr Prof. Schwarz Klärungsbedarf für die im Planfeststellungsbeschluss definierten und de facto nicht deutungserheblichen Bedingungen an und meint gar, dass doch durch Ntagges < 1080, also durchschnittlich Ntag = 6 Überschreitungen pro Tag die notwendigen Bedingungen erfüllt wären, denn in der Nacht würden ja auch 6 Überschrei-tungen zugelassen werden. Herr Schwarz versucht also mit der Ungleichung: 0 < Ntag < 1 Ntag = 6 „neue Regeln“ aufzustellen und damit die Behörde zu veranlassen, den Planfeststellungsbeschluss auszuhebeln, zu seinen Gunsten zu korrigieren.
Man versucht, wie man sieht, die Bevölkerung durch Tricks und Finten, durch mathematische Spitzfindigkeiten und Entstellungen der hinreichend genau definierten Bedingungen für die Bemessung des notwendigen Schallschutzes erneut zu hintergehen, zu betrügen. Wenn es um die Rechte der Bürger geht, dann gelten streng die gesetzlichen und planfestgestellten Regeln. Wenn es aber um die Pflichten des Flughafenbetreibers geht, dann versucht man ganz schnell einmal die bestehenden Regeln zu umgehen bzw. auf die eigenen Interessen zuschneiden zu lassen.
Ganz abgesehen davon, muss hier noch festgestellt werden, dass für die Nachtwerte umfangreiche Tests in Schlaflabors schließlich zu dem Wert NATnacht(55 dB(A)) = 6 geführt haben, der nichts mit den Verhältnissen am Tage verbindet, so dass es für den Tag weder eine Definition für Ntag = 1, noch Ntag = 6, noch irgendeinen anderen Wert Ntag bzw. Ntagges gibt.
Deshalb sind auch irgendwelche Vergleiche zwischen den notwendigen Tag- bzw. Nachtwerten unangebracht, ja unzulässig !
Definiert ist dagegen unstrittig Ntag = 0 - - - und dabei nutzt es auch nichts, auf andere Flughäfen der Welt zu verweisen, was zudem noch falsch ist. Allein ein Blick auf den Flughafen Wien zeigt, dass für die dortigen Anwohner noch weit bessere Entlastungsbedingungen geschaffen worden sind.
Besonders dreist ist der Verweis des Herren Prof. Schwarz darauf, dass angesichts der von den Betroffenen geforderten Bedingung Ntag = 0 bei bestimmten Häusern, wie z.B. solchen in Holzständerbauweise, wirksame Schallschutzmaßnahmen physikalisch nicht zum Ziele führen können, weil entsprechend notwendige hohe Schalldämmwerte mit vertretbaren Kosten nicht erreichbar seien. Na toll ! Dann sollen die Bewohner solcher Häuser also nicht den erforderlichen Schutz erhalten, oder was ? Ganz abgesehen davon gibt es aber im Planfeststellungsbeschluss auch dafür Festlegungen, nämlich die Entschädigung durch Kauf der Immobilie durch die FBS und die Umsiedlung der betroffenen Eigentümer/Mieter in lärmärmere Gebiete.
Durch die jetzige Veröffentlichung der vorläufig „endgültigen“ Flugrouten wurden Fakten geschaffen, die zeigen, dass Berlin weitestgehend vor Fluglärm geschont wird, dass der Lärm dagegen vorrangig auf das Land Brandenburg, die Lärm-Mülldeponie Berlins, „ausgeschüttet“ wird – eine bittere Konsequenz der Wahl eines falschen, ungenügenden Flughafen-standortes im Interesse einer rücksichtslosen Flugverkehrslobby, die sich einen Dreck darum schert, wie die lärmgeplagten unmittelbaren Flughafenanwohner damit fertig werden können.
Es ist aber auch ein Zeichen für das absolute Versagen unserer Landesregierung, auf ihrem Territorium erträgliche Bedingungen für ihre Bürger zu schaffen. Unser Ministerpräsident Platzeck ist vor dem Geschwätz des Berliner Regierenden Bürgermeisters Wowereit eingeknickt und hat sich nicht ihm gegenüber durchgesetzt, die Hoheitsrechte des Landes Brandenburg bei der Wahl und Ausgestaltung der Bedin-gungen um den von ihm selbst im Raumordnungsverfahren als „ungeeignet“ deklarierten Standort so wahrzunehmen, dass für die meistbetroffenen Menschen im Flughafenumfeld erträgliche Lebensbedingungen geschaffen werden können. Er hat es aus lauter Feigheit nicht einmal fertig bekommen, sich vor Ort den Sorgen und Nöten der meistbetrof-fenen Bürger zu stellen, um aus dieser Sicht zu Entscheidungen zu kommen, um das Leid dieser Betroffenen vermindern zu können.
Große Worte, Versprechungen wie „Lärmschutz geht vor Wirtschaftlich-keit“ gehen wie manches „Geschwätz von gestern“ in die Geschichte ein.
Die Bemühungen der vielen ehrenamtlich tätigen Mitstreiter in den Bürgerinitiativen und insbesondere im BVBB haben daher ihre Ziele nicht erreicht, sicherlich auch, weil in den Jahren 1996 bis 2010 viele heute als „Neubetroffene“ bezeichnete Anwohner abseits standen, weil sie sich als „Nichtbetroffene“ wähnten. Sie freuten sich über einen bequem erreich-baren, stadtnahen Flughafen, dessen schädliche Auswirkungen sie ja nicht zu befürchten hatten - - - dafür waren ja andere Menschen vorgesehen, zumal ja bisher im Norden von Berlin mit der geplanten Schließung von Tegel viele Mitbürger vom Fluglärm entlastet werden würden.
Für einen neuen Flughafenstandort kann es heutzutage aber kein Argument geben, das rechtfertigt, dass zwar bisher Belastete (Nord-Berliner) entlastet werden, dafür aber vergleichbar viele Brandenburger und andere Berliner im Süden und Osten der Hauptstadt „auf Teufel komm’ raus“ belastet werden dürfen.
Für einen ungeeigneten, stadtnahen Flughafenstandort kann es aber keine optimalen, nicht belästigenden und belastenden Flugrouten geben.
Daher ist auch jede Diskussion um andere Flugroutenführungen sinnlos und nur geeignet, die jeweils Betroffenen gegenseitig aufzuhetzen. Also muss jetzt der Kampf um sinnvolle, gemeinsame Ziele weitergehen, mit allen rechtlich zu Gebote stehenden Mitteln, um das Leben in den Flugschneisen erträglich zu machen.
Ein striktes Nachtflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr ist also die erste For-derung, die jetzt im Mittelpunkt der Bemühungen aller vereinten Bürger-initiativen und –vereinigungen stehen muss. Schließlich muss die Wahl eines neuen, geeigneteren Standortes für ein Berliner Drehkreuz im stadtfernen, wesentlich dünner besiedelten Bereich Brandenburgs gefunden werden, für den keine so gravierenden Einschränkungen existieren, wie sie nun mal für den Standort Schönefeld gegeben sind.
Dafür brauchen wir alle vereinten Kräfte mit Vernunft und Sachverstand.
Prof. Dr.-Ing. habil. E. Augustin Blankenfelde, den 28. 1. 2012