Wer liest, zur Kenntnis nimmt, wer wie das Nachtflugurteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.10.11 kommentiert, der kann sich über die Rücksichtslosigkeit der politischen Klasse, ihrer Vollzugsorgane und der Justiz nicht mehr wundern. Dieses Urteil ist ein vorläufiger Schlusspunkt hinter die jahrelangen Versuche Menschen, in ihrer Gesundheit, ihren Lebensumständen, ihren Kindern und der Zukunft von mehreren Generationen schweren Schaden zu zufügen.
Natürlich wissen dies die Verantwortlichen, an der Spitze Wowereit (SPD), Platzeck(SPD) und alle Parteien in Berlin und Brandenburg. Jetzt bekunden sie, sie seien ja eigentlich und tatsächlich immer gegen Berlin- Schönefeld als Standort eines Großflughafens gewesen. Der Standort sei eine gewaltige Fehlentscheidung, aber nun alternativlos. Hier wird der Versuch gemacht, Fehlentscheidungen als alternativlos selig zu sprechen. Ein schlimmeres Armutszeugnis für Politikversagen kann man sich selbst nicht mehr ausstellen.
Wowereit, seine SPD, die Linken, an der Spitze Gysi, die FDP sowie die Grünen immer schön darauf achtend Bäume und Vögel, aber nicht die Menschen zu schützen, sind erbärmliche Umfaller und politische Wendehälse der Sonderklasse. Nur in einer Frage sind sie einig: die Schuld am Dilemma, am falschen Standort haben die CDU mit dem ehemaligen Berliner Bürgermeister Diepgen und dem ehemaligen Verkehrsminister Wissmann. Der Versuch sich so „vom Acker zu stehlen“ ist ein Höhepunkt von politischer Verlogenheit und Volksbetrug. Alle die sich heute drehen und wenden, die Schuldfrage an den Folgen der selbst als falschen Standortentscheidung postuliert in dicken Nebel zu tauchen, haben die Wahrheit immer gekannt. Um zu helfen, dem Gedächtnisschwund und den Lügen Einhalt zu gebieten nur wenige Fakten:
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Die Ergebnisse des Standortsuchverfahrens für einen neuen Großflughafen aus Anfang der 90er Jahre war allen bekannt. Bekannt war so auch, dass der Standort Schönefeld durch das Raster eines möglichen Standortes gefallen war.
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Dass Vorstand und Aufsichtrat der Fluggesellschaft aufgrund eigener Gutachten und Erkenntnisse 1993/94 den Standort Schönefeld per Beschluss verworfen hatten war ebenfalls bekannt.
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Dass das vom damaligen Umweltminister Platzeck in Brandenburg verantwortete Raumordnungsverfahren (ROV) zur Standortsuche den Standort Schönefeld als ungeeignet verwarf, dies wegen nicht verantwortbarer Fluglärmbelastung der Region und wegen zu erwartender Risiken und Unwirtschaftlichkeit, war ebenfalls bekannt.
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Dass Stolpe und Platzeck bis Frühjahr 1996 den Standort Schönefeld als unmenschlich geißelten, ist ebenfalls bekannt.
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Dass der BVBB seit Mitte der 90er bis zum heutigen Zeitpunkt ausschließlich seine Position den Großflughafen in Sperenberg zu bauen, dem Standort der ersten Wahl von Stolpe und Platzeck, vertritt, war und ist auch kein Geheimnis.
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Dass ausgerechnet der BVBB, der den Früherkenntnissen von Stolpe und Platzeck treu geblieben ist, von diesen und ihrer Gefolgschaft in die Position einer staatsfeindlichen Organisation gedrängt wird, mit der man nicht reden darf, ist Ausdruck politischer Verkommenheit, die auch die Frage erlaubt, wie diese politischen Biedermänner mit „ihrem Geschwätz von heute“ noch morgens in den Spiegel schauen können.
Der Wahrheit die Ehre: Die Gründe liegen im Dunklen, warum Wowereit, Stolpe und Platzeck, Diepgen und Wissmann der CDU in Berlin und Brandenburg auf den Leim gekrochen sind, sich der Festlegung von Schönefeld als Standort für den single airport unterworfen haben, indem sie den „Konsensbeschluss“ mit dieser Festlegung zustimmten. Ab 1996 ging es dann mit gedrehten Hälsen gegen die Interessen der Menschen in Brandenburg, gegen die Interessen des Landes, mit hässlichen und verlogenen Methoden wurde der Standort Schönefeld durchgesetzt.
Stolpe kommt - gefragt, warum er im Interesse von Diepgen und Wissmann umgefallen sei, alles vergessen habe, alles verleugnet, was er vor seiner Unterschrift unter das „Konsenspapier“ erklärt hat - mit einer Begründung, die nur jemand bringen kann der dem Tollhaus entsprungen ist. Stolpe: ich bin von Diepgen und Wissmann überstimmt worden als diese darauf bestanden über die Standorte Schönefeld und Sperenberg abzustimmen. Diese Begründung ist so dumm, wie sie verlogen ist. Dumm, weil Stolpe wohl in völliger Unkenntnis der Brandenburger Verfassung, seiner Rechte als Ministerpräsident und des Planungsrechtes, Diepgen und Wissmann das Recht zugestand, darüber zu entscheiden, ob, wann und wo in Brandenburg ein Flughafen gebaut werden kann oder darf. Mit diesem Kniefall hat er nicht nur dem Land, auf dessen Schutz er vereidigt war, Schaden zugefügt, nein, er hat sich persönlich auch noch zum Dattel vor zwei Politikern gemacht, die wohl wussten, wie und warum sie mit Stolpe umspringen konnten. Sie machten so dem politischen Dattel klar, dass aller Dreck eines Flugbetriebs nach Brandenburg gehört, zum Nutz und Frommen Berlins und dass Brandenburg diesen Dreck als Gesellschafter mit ewigen Finanzierungsverpflichtungen in der Größenordnung des angedienten Gesellschafteranteils von 37,5% auch noch mitzutragen hat.
Seit 1996 gab es ausreichend Gründe den Kniefall von Stolpe und der SPD zu revidieren. Spätestens als sich schon Anfang 2000 herausstellte, dass der Konsensbeschluss in einem entscheidenden Punkt nicht umsetzbar war, gab es für das Land Brandenburg die Chance ohne jede Schadenersatzverpflichtung das Abenteuer „Schönefeld „ zu beenden und mit politischem Mut den Großflughafen in Sperenberg zu bauen. Die im Konsensbeschluss vereinbarte Vergabe des Baus des Flughafens an einen privaten Investor und die ebenfalls vereinbarte private Betreibung des Flughafens waren geplatzt. Es fand sich nicht ein Investor, der bereit war sein Geld in dieses erkennbare Pleiten-, Pech- und Pannenprojekt zu stecken. Dabei war allen Beteiligten in Berlin und Brandenburg bekannt, dass große Finanzkonsortien für den Bau und die Betreibung eines Großflughafens in Sperenberg förmlich Schlange standen.
An diese Historie, die Ausgangspunkt auch für die der Standortfehlentscheidung aufgesetzte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes war und ist, muss auch jetzt nach der Nachtflugentscheidung wieder erinnert werden. Diese Historie hat es dem Bundesverwaltungsgericht erst ermöglicht, in seiner Entscheidung aus 2006 den Standort zu bestätigen und nun auch noch eine Nachtfluggenehmigung zu erteilen, die ein Skandal ist. Damit hat das Gericht, der 4. Senat, gezeigt, wie geländegängig seine Rechtsprechung ist, wenn es darauf ankommt, politische Fehlentscheidungen zu sanktionieren. In beiden Entscheidungsfällen, 2006 die Standortentscheidung und jetzt die Nachtflugentscheidung, erkennt der des Hörens und Lesens kundige Zeitgenosse mit welch an den Haaren herbeigezogenen Gründen wirtschaftliche Interessen und politische Dummheiten Kern und Ausgangspunkt von Rechtsprechung sind.
Man muss die in einer Presseerklärung vom Senat verbreitete Urteilsbegründung nicht zitieren. Es reicht die einfache Feststellung: Dieser Senat hat alles zur Wahrheit erklärt, was ihm von Gutachtern und dem Land Brandenburg zugeschoben wurde. Von Beweisermittlung zu den Behauptungen, die das Land (die Beklagte) zur Begründung seiner Nachtflugforderung vorgetragen hat, keine Spur. Alles, was hier an sachlichem Unsinn vorgetragen wurde, war diesem Senat „plausibel“.
Darum bleibt festzuhalten: da urteilten Juristen über Gesundheit und Schicksal von 300 000 Menschen in wenigstens drei Generationen, weil sie wirtschaftliche Gründe für einen Nachtflug für plausibel erachteten. Sie verurteilten diese Betroffenen unter Bedingungen ein Leben lang zu leben, die sie sich selbst nie zumuten würden. Wenn sie ehrlich von ihrem Geschwätz über den Lärmschutz als Ausgleich für den Fluglärm überzeugt gewesen wären, dann hätten sie doch einfach sagen können: liebe Betroffene, wir würden unter diesen Bedingungen auch gerne leben.
Darum fordern wir zunächst die Politiker auf mit gutem Beispiel voran zu gehen und ihren Wohnsitz in die Lärmschutzgebiete zu verlegen, die wir durch genehmigte Schutzauflagen zu bewohnbaren Regionen gemacht haben. Eure und unser Kinder und Enkelkinder wären nämlich glücklich, wenn sie in Horten, Schulen und KITAS ihre Jugend verleben könnten, die zum Lärmschutz in Akustikkäfige umfunktioniert wurden. Für Kinder und Erwachsene ist es auch gleichermaßen gesund in Räumen zu leben, die schalldicht sind, künstlich druckbelüftet und befeuchtet werden.
Weil das Gericht vor diesen der Wahrheit dienenden Konsequenzen und Informationen zurückschreckt, diese Wahrheit in seiner Urteilsbegründung nicht zu finden ist, hat es nur bewiesen wie es sich zynisch mit der Politik gemein gemacht hat.
Für die Glaubwürdigkeit, wenn es diesem Senat überhaupt darauf ankommt, ist auch diese Entscheidung inakzeptabel. Allerdings haben die Bürger generell gemerkt, dass Parteien, Behörden, Regierende und Parlamentarier auf Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und werben um Vertrauen keinen Wert legen. Sie suhlen sich im Gefühl der Macht, der eigenen empfundenen Wichtigkeit mit Pensionsberechtigung. Dabei registrieren sie nicht, dass die Wahlbeteiligungen auf dem Tiefpunkt sind und mit der Piratenpartei eine Entwicklung eingeleitet wird, die ihnen an die Pfründe geht. Vor diesem Hintergrund ist dann das Urteil hilfreich für die weitere Meinungsbildung zu den Zuständen, wie sie real empfunden werden. Zunehmend darf man hoffen, dass immer mehr Bürger erkennen, dass der Rechtsstaat unsere parlamentarische Demokratie nur noch zu retten ist, wenn allen Feinden dieses Rechtsstaates, auch solchen die sich verlogen um die Prinzipien drücken, der Garaus gemacht wird. Die Bürgerinitiativen müssen, wenn sie von den Parteien ernst genommen werden wollen, nun handeln. Wirkungsvoll ist dabei letztlich nur ein Weg, der die Parteienarchitektur verändert. Die junge Generation, die Gründer und Aktivisten der „Piraten“ beschreiten diesen Weg. Sie geben die Antwort, die die etablierten, verkrusteten, sich selbstbefriedigenden Parteien brauchen. Zwangsläufig führt dann auch eine veränderte Parteienlandschaft dazu, dass der Parteienklüngel um die Richterbesetzung Deutscher Obergerichte einen anderen Drive bekommt. Es gehört nämlich auch zur Urteilserklärung, dass die Richter des 4. Senates nicht aus dem parteipolitischen Nichts in ihre roten Roben gekommen sind.