BVBB Bürgerverein Berlin Brandenburg e.V.

Rede Ferdi Breidbachs vor der Demo/Menschenkette vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.09.2011

1. Mit dem nun beginnenden Verfahren hat der 4. Senat eine herausragende Chance seine Rechtsprechung zum Schutz der Nachtruhe im Sinne des Schutzes der körperlichen Unversehrtheit weiter zu entwickeln.

2. Dem Senat dürfte auch durch Vortrag unsere Anwälte, durch Gutachten und wissenschaftliche Veröffentlichungen nicht entgangen sein, wie gesundheitsgefährdend die Störung der Nachtruhe wirklich ist.

3. Dem Senat dürfte auch nicht entgangen sein, mit welcher Arroganz, Dreistigkeit und Verlogenheit das Land Brandenburg in seinem ergänzenden, nun zur Verhandlung anstehenden Planfeststellungsbeschluss nicht nur die Betroffenen sondern auch das Gericht auf den Arm nehmen will.

4. Wie kann ein Gericht eine Behörde noch ernst nehmen, ihr auch nur partiell zustimmen, die Nachtzeiten zu den Hauptflugzeiten eines Flughafens machen. Eine Behörde, die behauptet, dass sie Interessen von Nachtschutz und Wirtschaftlichkeit im Sinne von Schutzrechten abgewogen hat und dabei in Nachtzeiten zwischen 22:00 Uhr und 23:00 Uhr jede Minute Überflüge über Regionen, in denen 200 000 Menschen beheimatet sind, genehmigt, gehört vom Gericht sofort nach Hause geschickt. Der 4. Senat muss sich darum Fragen lassen, ob er sich nicht selber in Frage stellt, wenn er über diese rücksichtslose Genehmigung des Landes Brandenburg überhaupt noch ernsthaft verhandelt. Darum fordern wir: schicken sie Brandenburg nach Hause und tragen auf, dass es keinen Nachtflug nach 22:00 gibt.

5. Der 4. Senat muss sich aber auch von den Betroffenen fragen lassen, was seine unverständliche, gegen alle Nachtzeitregeln schon in vergangenen Entscheidungen aufgesplitterte Nacht soll. Schon ein Blick in die Reisekostenverordnung für Beamte, so auch für Richter dieses Gerichtes, zeigt doch, dass es keine Nachtrandzeiten von 22:00 bis 0:00 Uhr oder zwischen 5:00 und 6:00 Uhr gibt, so gibt es auch keine Kernzeit der Nacht zwischen 0:00 Uhr und 5:00 Uhr. Solche widersinnigen Versuche einen neuen Nachtzeitbegriff per Rechtsprechung einzuführen, widersprechen selbst internationalen Flugplänen, von Tarifverträgen ganz zu schweigen. Meine Herren Richter, kann man da nur sagen: hört endlich auf mit solchen Tricks des Nachtzeitsplittings den Betroffenen weißzumachen, dass ihr die Nachtruhe schützen wollt. Wir fordern und haben in den Klagen beantragt: Nachtruhe ist zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr. In dieser Zeit haben Flugzeuge am Boden zu stehen.

6. Es gibt noch einen anderen, ebenso verwerflichen Trick die Nachtruhe zu stören, um Menschen auch bewusst krank zu machen. Dieser Trick heißt Daseinsvorsorge. Dahinter verbirgt sich die Behauptung, dass es für die Daseinsvorsorge der Gesellschaft unabdingbar sei, dass nach 22:00 Uhr geflogen wird. Also, auch nach Auffassung dieses Senates besteht Daseinsvorsorgeverpflichtung, wenn Flugzeuge in Nachtzeiten Menschen für wenige EURO in alle Welt transportieren wollen. Gipfel dieser Daseinsvorsorge ist die Nachtfluggenehmigung für Billigflieger, die Familien, Kinder in der Nacht in die Urlaubsgebiete fliegen. Diese Praxis hat zwei Effekte: Niemand will, wie der BVBB durch seine tns Emnid – Umfrage ermitteln ließ, freiwillig in der Nacht fliegen. Weil aber Flugzeuge fliegen sollen, werden Menschen als Fluggäste, welch ein Hohn, zwangsrekrutiert. Gleichzeitig werden dann Hunderttausend Menschen um die Nachtruhe gebracht, die die fliegen müssen und die die überflogen werden. Das ist eine brutale Praxis, die sich auch richterlichen Zuspruchs erfreut. Wir fordern: Schluss damit!

7. Die Fracht braucht die Nacht, so tönt es, so wird richterlich entschieden. In Wahrheit ist diese Forderung Unsinn, weil 90% der Fracht keine verderbliche Ware ist und jederzeit auch am Tage oder bei anderer Terminplanung transportiert werden kann. Wir machen den Richtern einen Vorschlag. Der größte Frachtflughafen liegt vor ihrer Türe. Schauen sie sich doch an, was da in der Nacht transportiert wird. Das geht von Straßenbahnen nach Australien bis zu Werkzeugmaschinen nach Kasachstan. Manchmal kommen dann auch Tulpen aus Amsterdam oder Erdbeeren aus Spanien. Solche verderbliche Ware in der Nacht zu transportieren, dafür Menschen die Nachtruhe zu nehmen, ist schlicht pervers. Kein Rad steht still, kein Mensch verhungert, wenn diese Produkte nur am Tage und nicht in der Nacht geflogen werden.

8. Dir infamste Begründung für den Nachtflug sind die vielen Arbeitsplätze, die durch den Nachtflug geschaffen werden, so wird behauptet. Das diese Arbeitsplätze auch notwendig wären, wenn am Tage Güter geflogen werden wird, einfach unterschlagen. Aber, und das ist schändlich: es werden Arbeitsplätze gegen Gesundheitsgefahren ausgespielt. Diese Methode ist Ellenbogengesellschaft pur. Die Zahl der Arbeitsplätze ist abhängig vom Transportvolumen und den Passagieren, die einen Flughafen nutzen. Nicht abhängig ist die Zahl von Nachtflügen. Wer so etwas behauptet, bekennt seine Unfähigkeit Flugzeugumläufe intelligent zu gestalten und Logistik ohne die Nacht zuorganisieren.

9. Bleibt nur noch die Frage der Wirtschaftlichkeit, mit der Nachtflüge begründet werden. Hier gilt zunächst, wer einen Flughafen baut oder betreibt der nur mit Nachtflug wirtschaftlich ist, betreibt einen Flughafen am falschen Standort, wenn er Wirtschaftlichkeit nur um den Preis der Störung der Nachtruhe bewerkstelligt. Richter, Gerichte, die der Forderung nach Wirtschaftlichkeit nachgeben, zulasten des Gesundheitsschutzes, betreiben Wirtschaftsförderung aber nicht Rechtsprechung. Da wird dann unterschlagen, dass es für Wirtschaftlichkeit keinen Verfassungsrang gibt, wohl aber für den Schutz der körperlichen Unversehrtheit.

10. Nichts Geringeres fordern wir vom 4. Senat, seiner Rechtsprechung auch zu dem Urteil was sie zu den unverschämten Nachtflugforderungen der Herren Wowereit und Platzeck sprechen müssen. Machen sie Schluss meine Herren Richter, mit einer Rechtsprechung, die für die Opfer des Fluglärms inakzeptabel ist. Es geht auch um die Glaubwürdigkeit eines Gerichts und seiner Rechtsprechung, die nicht befördert wird, wenn das Recht auf körperliche Unversehrtheit Schaden leidet.