Sachkenntnis ist in manchen Redaktionsstuben nicht gefragt, wenn es darum geht, in Kommentaren oder Berichten dumpfe Gefühle und Aussagen abzulassen, denen man sofort anmerkt, dass sie der PR – Abteilung der Flughafengesellschaft oder den Pressestellen des Berliner Senats angemessen sind.
Typisch für die so betriebene Desinformation und Verdummung der Leser ist ein Kommentar von Christine Richter aus der Berliner Morgenpost vom 20. Juli 2011.
Gleich geht es schon in der Überschrift los: „Berlin braucht ein Drehkreuz“, darum muss das Bundesverwaltungsgericht prüfen, ob die 103 beantragten Nachtflüge für ein Drehkreuz Voraussetzung sind. Das wird das Gericht natürlich nicht tun. Es wird seine Entscheidung nicht davon abhängig machen, ob BER ein Drehkreuz braucht oder nicht. Wie auch? Das Gericht kann nicht ahnen oder prophezeien, dass es eine oder mehrere Fluggesellschaften geben wird, die ausgerechnet für den BER ein Drehkreuz einrichten wollen. Ob es ein Drehkreuz am BER geben wird, entscheiden Fluggesellschaften und nicht die Flughafengesellschaft oder das Bundesverwaltungsgericht. Insbesondere ist ein Drehkreuz nirgendwo in der Welt davon abhängig, ob es auf einem Flughafen auch nach 22:00 Uhr Nachtfluggenehmigungen gibt. Sicher wäre es darum für eine Journalistin, die ihren Beruf so ernst nimmt, wie sie Leser ernst nehmen muss, ein Leichtes gewesen über eine banale Internetrecherche herauszufinden, auf welchen Flughäfen weltweit Drehkreuze funktionieren, ohne dass sie Nachtfluggenehmigungen haben. Übrigens, was die Flughafengesellschaften alles anders sehen ist ohne sachliche Begründung. Es gibt keinen Nachtflugbedarf, weil es so gut wie keine Fluggäste gibt, die freiwillig auf Nachtruhe verzichten, um ihre Nacht in Flugzeugen bzw. auf Flughäfen zu verbringen. Es gibt aber das Produktionsmittel Flugzeug, das seine Eigentümer und Betreiber aus Profitgründen am liebsten 24 Stunden in der Luft hätten. Ganz im Sinne dieses Ziels sollen dann Fluggäste, nach Möglichkeit Familien mit Kleinkindern, zwangsrekrutiert und Menschen, wiederum auch Kleinkinder, die an Flughäfen wohnen, um die Nachtruhe gebracht werden.
Dann erfährt der verehrte Leser von Frau Richter weiter, dass man doch bitte berücksichtigen muss, selbst wenn man mal bei offenem Fenster schlafen möchte, dass der Flughafen ja mit Nachtflügen auch Geld verdienen will. Spätestens mit der Verbreitung dieser Propagandaaussage hat sich die Kommentatorin mit der Flughafenpropaganda endgültig gemeingemacht. Sie hätte doch leicht, wiederum über einfache Internetrecherche, ermitteln können, dass es unabhängig von Nachtflugregelungen selbst in Deutschland keinen Flughafen gibt, der wirtschaftlich arbeitet. Nirgendwo in der Welt ist die Wirtschaftlichkeit eines Flughafens von der Frage: Nachtflug „Ja“ oder „Nein“ abhängig. Warum dies ausgerechnet beim BER so sein soll, schreibt die Kommentatorin nicht. Bedenkenlos, weil es passt, verbreitet sie Propaganda. Sie dürfte eigentlich auch wissen, dass die Flughafengesellschaft weder heute noch morgen, mit oder ohne Nachtflug, nicht wirtschaftlich arbeiten wird. Da wäre es doch schön, wenn der Leser auch durch eine Veröffentlichung in der MOPO einmal erfahren könnte, wie viel Steuergelder schon in der Flughafengesellschaft versenkt wurden und was da noch kommt.
Wie kommt die Journalistin dazu dem Leser zu vermitteln, dass es zur Wahrheit gehört, dass das Bundesverwaltungsgericht die Nachtruhe „nicht weiter fassen wird als in Tegel“, wo bis 23:00 Uhr geflogen wird. Wie auch immer entschieden wird, schon vorab eine Entscheidung des Gerichtes als Wahrheit zu vermitteln ist, leichtsinnig und wenig seriös.
Wes Geistes Kind hier geschrieben hat, ist dann auch erkennbar, wenn dem Leser vermittelt wird, dass das Bundesverwaltungsgericht im September „über entsprechende Klagen (gemeint sind Klagen gegen den rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluss „Nachtflug BBI“) von Brandenburger Gemeinden“ verhandeln wird. Wieder wird bewusst nur die halbe Wahrheit verbreitet. Tatsache ist, dass es vor allem 40 private Kläger sind, die gegen das unglaubliche Ansinnen von bis zu 113 Nachtflügen klagen. Dass diese privaten Kläger vom BVBB organisiert wurden, seine Mitglieder hierfür ca. 200 000€ aufbringen mussten, findet in den Redaktionsstuben der MOPO nicht statt. Es ist der BVBB, der mit der Finanzierung auch dieser Klagen für das Menschrecht auf Nachtruhe kämpft und nicht nur darüber redet und fordert. Richtig, der BVBB akzeptiert im Interesse des Schutzes der körperliche Unversehrtheit eine Verletzung des Rechtes auf Nachtruhe nicht, weil er sich den wirtschaftlichen und politischen Interessen von Wowereit (SPD) und Platzeck (SPD), die hinter dieser Verletzung stecken, nicht beugt. Da kann noch so viel dummes Zeug über Drehkreuze in Abhängigkeit von Nachtflugrechten medial verbreitet werden. Wenn auch die MOPO auf diese Dummheiten hereinfällt, der BVBB nicht!
Vollends zum Selbsttor für ihre Schreiberei, zum Beweis ihrer Unkenntnis und ihrer Freude, Propaganda der Flughafengesellschaft unbesehen den Lesern zu servieren, wird es, wenn sie schreibt:
„Ziel ist ein internationales Drehkreuz, was bedeutet, dass die Flieger beispielsweise aus Asien oder den USA auch spätabends noch in Schönefeld landen können - und die Menschen von dort dann weiter in andere Städte kommen. Dieses Ziel zu erreichen wird schon schwierig genug, denn Frankfurt ist in Deutschland der zentrale Umsteigeflughafen für Menschen aus aller Welt, Frankfurt brummt im wahrsten Sinne des Wortes und wird gerade noch weiter ausgebaut. Je länger das Nachtflugverbot in Berlin dauert, umso geringer die Chance, ein Drehkreuz aufzubauen. Dürfen in der Zeit von 22 bis 6 Uhr gar keine Flugzeuge am BER abheben, kann man den Plan eines solchen Drehkreuzes sofort aufgeben. Das aber kann keiner wollen“.
Es ist schon erbärmlich, dass diese Journalistin nicht weiß wann Flugzeuge aus Asien oder USA in Deutschland ankommen und abfliegen. Was ist das für ein Journalismus, der noch nicht einmal in Flugpläne z. B. des größten deutschen Drehkreuzflughafens Frankfurt/Main (FRAPORT) schaut, um sich vor der Veröffentlichung von Unsinn zu bewahren.
Frau Richter, als Hilfe für Fehlleistungen: Kein Flieger, keine Fluggesellschaft, die das Drehkreuz Frankfurt/Main anfliegt, fliegt nach 22:00 Uhr an oder ab, Gleiches gilt für die Zeit von 5:00 bis 6:00 Uhr. Aber vielleicht haben sie ja eine Geisterflotte im Sinn, die eigens für Berlin den Nachtflug braucht. Da passt dann ihre ebenso dumme, weil sachlich unhaltbare, Behauptung, nach der die Chancen für ein Drehkreuz abhängig sind, von der Genehmigung am BBI/BER nachts fliegen zu können.
Zu propagieren, dass ein Drehkreuz am BER als Ziel im Wettbewerb zu Frankfurt/Main gesehen werden muss, ist dann auch an Phantasiegläubigkeit nicht mehr zu überbieten. Auf solche Ideen kommt nur, wer sich auf dem Niveau von Posemuckel oder typisch Berliner – Großmannssucht befindet. Ansonsten passt der Kommentar, insbesondere zur Berichterstattung vom 19. Juli über die Protestveranstaltung in Friedrichshagen. Die hatte, wie auch der Kommentar von Frau Richter, nichts mit Qualitätsjournalismus zu tun. So macht sich die MOPO nur noch peinlich!