Es mehren sich die Anzeichen, dass der Schallschutz den Flughafen in die Pleite treibt, es sei denn, die Steuerzahler in Berlin und Brandenburg überweisen nach den Milliarden der letzten zwanzig Jahre nun weitere Hunderte Millionen an den Betreiber. Langsam aber sicher kommen nämlich die Einzelheiten zu Tage, mit denen die "lieben Nachbarn" (O-Ton Flughafen) systematisch beim Schallschutz über den Tisch gezogen werden sollen. Ausgangspunkt ist wohl die frühe Erkenntnis der Flughafenmanager, dass die vorgesehenen 140 Mio. Euro für die 25.500 Häuser und Wohnungen sowie 50 Sonderobjekte (Schulen, Kindergärten, etc.) nicht reichen, um den verbindlich festgelegten Schallschutz zu errichten. So schätzt der BVBB die Gesamtkosten auf 600 Mio. Euro und der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) geht sogar von 750 Mio. Euro aus.
Also lautet die Devise zu sparen, was das Zeug hält. Nicht etwa bei Neujahrsempfängen mit Sekt und Kaviar oder für die pompöse Eröffnungsfeier (Kosten 2 Mio. Euro), sondern beim Schallschutz. Diesen Eindruck musste schon jeder bekommen, der die Willkür bei der Bewilligung von Schallschutz zu spüren bekam (zu niedrige Raumhöhen, Dachgeschosse sind keine Wohnräume, Austausch nur einzelner Fenster in Räumen mit mehreren Fenstern, Verlegung elektrischer Leitungen über Putz, etc.).
Aber diese Tricks wie bei einer Drückerkolonne scheinen nicht zu reichen, um dreistellige Millionenbeträge zu sparen, ohne die Eröffnung des Flughafens zu gefährden. Denn die Genehmigung sieht auch vor, dass der Lärmschutz vor Inbetriebnahme des Flughafens errichtet sein muss. Die Lösung lautet: Man lege der Berechnung des zu erwartenden Lärms lediglich die Eröffnungskapazität von 250.000 Flugbewegungen (statt 360.000) zugrunde. Gleichzeitig zwinge man die Betroffenen, eine Klausel zu unterschreiben, mit der sie auf weitergehende Ansprüche verzichten. Kommt es wegen mangelhaftem Schallschutz noch vor Eröffnung des Flughafens zu einer Klage, so kann man entgegen halten, dass man für ein Mindestmaß an Schutz "gesorgt" habe und in der Zukunft nachbessern will. Kein Richter, so das Kalkül, wird dann die Inbetriebnahme verweigern. Wenn aber die Betroffenen auf Nachbesserung drängen, wird man auf die Abgeltungsklausel verweisen, nach der weitergehende Ansprüche ausgeschlossen sind.
Vor diesem Hintergrund ist nun auch der Streit über die Anzahl der zulässigen Maximalpegel im Tagschutzgebiet zu sehen. Unmissverständlich sieht die entsprechende Regelung des Ministeriums für Infrastruktur und Raumordnung (MIL) vor, dass es zu keiner Pegelüberschreitung kommen darf, so wie erst kürzlich in einer E-Mail an verschiedene Behörden nochmals bestätigt. Trotzdem unterstellt der Flughafen bei der Berechnung des Schallschutzes die Zulässigkeit einer sechsmaligen Überschreitung. Glaubt man Flughafensprecher Schwarz, so sind die finanziellen Folgen dramatisch. Denn würde es bei der geltenden Regelung bleiben, dann könne man etwa 6.000 Wohnungen und Häuser gar nicht gegen Fluglärm schützen. Stattdessen müsste man die Eigentümer mit 30 Prozent des Verkehrswerts von Immobilien und Grundstück in bar abfinden. Also statt ca. 5.000 Euro, die durchschnittlich für Lärmschutz pro Haus oder Wohnung zu Verfügung stehen, wären dann je nach Verkehrswert 50.000 bis 150.000 Euro fällig. Wehe dem also, der sich bereits auf den bisherigen Billigschutz des Flughafens eingelassen und die Abgeltungsklausel unterschrieben hat. Der dürfte bei Fortbestand der Regelung am Ende leer ausgehen.