BVBB Bürgerverein Berlin Brandenburg e.V.

Plädoyer des BVBB Ehrenvorsitzenden, Ferdi Breidbach, in der mündlichen Verhandlung der BBI-Nachtflugklage am 22.09.2011 vor dem Bundesverwaltungsgericht. – Ein Bericht.

Als Vorbemerkung hat Ferdi Breidbach in seinem eindrucksvollen und bewegenden Plädoyer vor dem 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichtes darauf hingewiesen, dass er bedingt durch seine beruflichen Erfahrungen aus seiner Sicht die Probleme der anstehenden Nachtflugregelung anders beurteilt als Verwaltungsjuristen dies tun.

 

Er bedankte sich zunächst bei den Betroffenen, die seit Jahren friedlich für ihre Interessen kämpfen und zudem dafür auch noch über 2,8 Mio. € aufbringen mussten. Das solle auch vor Gericht zur Kenntnis gebracht werden.

Er habe, so fuhr er fort, ausreichende Erfahrung in der Beurteilung darüber wie Gesetze gemacht werden, wer ihren Inhalt beeinflusst und wer die Ziele bestimmt. Das sei nicht objektives Recht sondern Recht aus Mehrheitswillen. So sein Urteil nach Erfahrungen von 3 Legislaturperioden im Deutschen Bundestag, davon 8 Jahre Mitgliedschaft im Ausschuss für Wirtschaft. Diese Erfahrung lehrt, nicht wie dies auch in der Verhandlung geschah, Gesetze mit einem Heiligenschein zu versehen, so zu tun als sei alles auch rechtens, was in Gesetzen steht. Weil dem nicht so ist, brauchen wir Gerichte, insbesondere solche die den Mut besitzen, den Gesetzgeber zu korrigieren oder Recht weiterzuentwickeln.

Gezielt erklärte Breidbach dann, dass hier im Saal ja Experten säßen, z. B. Rechtsanwalt Gronefeld (Rechtsvertreter der FBS), die durch Beteiligung an Formulierungen von Gesetzestexten wüssten, worüber er rede. Schlimm und unerträglich sei aber, wenn solche Experten vor Gericht als große Verehrer von Gesetzen auftreten, an denen sie selber mit formuliert haben.

Es sei vor dem Hintergrund der Lobbymacht erschreckend, wie die in der Lobby eingebundene Landesregierung von Brandenburg oder die FBS in der mündlichen Verhandlung erklären könne, dass die „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen“ ein Fachverband sei, dessen Expertise den Rang gutachterlicher Erklärungen habe. Breidbach: das lasse ich mir nicht vormachen. Dieser Verband, genau so wie der Verband der Luftverkehrsgesellschaften, ist ein mächtiger Lobbyverband, dem es z. B. auch gelungen sei in den Schwarz/Gelben Koalitionsvertrag eine gemeine Änderung des § 29b des Luftverkehrsgesetzes unterzubringen.

Es sei auch unvertretbar, dass es keine Waffengleichheit zwischen den Vorhabenträgern, den Behörden auf der einen - und den Betroffenen von Infrastrukturprojekten auf der anderen Seite gäbe. Die Einen können die Durchsetzung ihrer Interessen aus Steuergeldern finanzieren und dabei aus dem Vollen schöpfen, die dann von den Betroffenen auch noch aufgebracht werden. Die Betroffenen müssen aber zur Verteidigung ihrer Interessen gegen das Projekt eigenes Geld aufbringen.

Erschreckend sei für ihn als Nichtjuristen, wie Juristen mit Problemen umgehen, die den Ordnungsrahmen der sozialen Marktwirtschaft ausmachen. Die praktizierte Rechtsprechung des Senates, wie auch die Begründung der Planfeststellungsbehörde für die Notwendigkeit des Nachtfluges stelle die Ordnungsprinzipien der sozialen Marktwirtschaft auf den Kopf. Die Bedarfsbegründung für 113 Nachtflüge beziehe sich auf eine Nachfrage, die es in Wahrheit nicht gibt. In Wahrheit gehen Gericht und Behörde davon aus, dass das Angebot des Produktionsmittels Flugzeug eine Nachfrage auf dem Luftverkehrsmarkt sei. Für die Marktwirtschaft wird die Nachfrage durch den Konsumenten bestimmt. Er bestimmt, welches Produktionsmittel, welche Dienstleistung er will. Dass dem so ist könne man schon in der Volkshochschule Leipzig lernen, wenn man dort einen Kurs „Volkswirtschaftslehre 1“ belegt. Fakt ist, das sei zuletzt, im August, durch die von TNS – Emnid ermittelten Befragungswerte einer repräsentativen, bundesweiten Umfrage bewiesen: Es gibt diese Nachfrage nach Nachtflügen nicht! 95% der Menschen wollen, so das Ergebnis, nach 22:00 Uhr und vor 6:00 Uhr nicht fliegen. Offensichtlich sei dies der Flughafengesellschaft und den Fluggesellschaften auch bekannt, die aber ihre diesbezüglichen Passagierbefragungen bzw. deren Ergebnisse zum Betriebsgeheimnis erklären. Wie das Gericht aus dieser Tatsache der Wahrheitsverweigerung eine berechtigte Nachfrage nach Flugleistungen konstruiere und schon im Hauptsacheverfahren konstruiert habe, sei nur mit Denken in Dimensionen der Zentralverwaltungswirtschaft erklärbar.

Da, so Breidbach, wäre es systemtypisch, das Angebot von geplanten oder einsetzbaren Produktionsmitteln zur Nachfrage umzufunktionieren. So werde dann hier wie da eine Zwangsrekrutierung von Kunden erzwungen. Im Fall des Flugbetriebs dann über Reisebüros und gesteuerten Verkauf von Flugtickets. Also, es geht um Wirtschaftsförderung zulasten der Nachtruhe. Weil Flugzeuge nachts fliegen wollen, sollen Menschen nachts nicht schlafen!

Breidbach befasste sich dann mit den Folgen des gepriesenen, aber in seinen praktischen Auswirkungen verschwiegenen sogenannten passiven Lärmschutz am Beispiel der Folgen für Kinder. Gleich zu Beginn dieser Redepassagen machte er die Richter darauf aufmerksam, dass sie nicht nur für die Kinder und Erwachsenen der aktuellen Generation Verantwortung tragen. Schon hier stünden sie vor dem Problem, heute immer noch nicht sagen zu können, wie viel Kinder dies seien. Sagen kann man aber, dass es während der ganzen Betriebszeit des Flughafens (planerisch 100 Jahre) sicher weit über 100 000 Kinder seien, die die Folgen des Fluglärms ertragen müssen. Ihnen und ihren Eltern wird ein Lärmschutzkonzept angepriesen, dessen Inhalt aber öffentlich nicht thematisiert sei. Sind sie sich darüber im Klaren, fragte er die Richter, was es bedeutet, wenn Horte, KITAS und Schulen zu Akustikkäfigen umfunktioniert werden, die sich dadurch auszeichnen, dass die Fenster schalldicht sind, nicht geöffnet werden dürfen, die Frischluft in die Räume geblasen wird und die Luftfeuchtigkeit durch Luftbefeuchter sichergestellt wird. Der CO – Gehalt wird dann nach festgestellten Messwerten durch Stoßbelüftung reguliert. Wenn dann die Kinder in Pausen und Freizeit im Außenbereich Erholung suchen, dann müssen sie den Fluglärm ertragen, den Hunderte von Flugzeugen am Tage in Flughöhen zwischen 230 und 350 m über ihren Köpfen erzeugen. In der Nacht dürfen die Kinder dann Erholung und Nachtruhe suchen, die sich wiederum in Schlafräumen abspielt, die ebenfalls schalldicht sind und künstlich belüftet werden. Breidbach stellte die Frage, ob einer der Richter bereit sei, seinen Kindern diese unmenschliche Kindheit zu zumuten.

Ausgeblendet aus der gesamten Erörterung sei, dass Kinder und Erwachsene eben nicht nur in der Nacht betroffen seien, sondern auch noch am Tage. Dabei sind die Versuche die Nachtzeit phantasievoll auf fünf Stunden, von 0:00 Uhr bis 5:00 Uhr zu reduzieren, verwerflich. Auf die Idee, die international selbst in Besoldungsordnungen und Flugplänen festgeschriebene Nachtzeit zwischen 22:00 und 6:00 Uhr in Nachtrandzeiten und Kernzeiten aufzuteilen, können eigentlich nur Juristen kommen, die die Nacht als Zeitscheibe für Wirtschaftsförderung verstehen. Wenn schon Randzeiten, dann liegen sie vor der Nacht, dann liegen diese Zeiten vor 22:00 Uhr und nach 6:00 Uhr.

Im Schlussteil warf Breidbach dann dem Land Brandenburg vor, dass es dem verfassungsrechtlich, nach Artikel 2 Grundgesetz verpflichtenden Schutzziel des Rechtes auf körperlicher Unversehrtheit nicht mit dem Vorsorgeprinzip Rechnung trage. Das ist verwerflich und erinnere an Zeiten des Frühkapitalismus oder an praktizierter, durch den Staat sanktionierter Ellenbogengesellschaft.

Hinsichtlich der tatsächlichen Flugrouten wies Breidbach daraufhin, dass durch Akteneinsichten bei den Behörden eindeutig festgestellt sei, dass seit 98 bekannt gewesen sei, dass ein unabhängiger Flugbetrieb der parallelen Start-und Landebahnen eine Divergenz der Flugrouten erfordere.

Dies sei bewusst verschleiert worden, um den ungeeigneten Standort politisch durchzudrücken. Man könne davon ausgehen, dass es, wenn die tatsächlichen Flugrouten bereits vor 6 Jahren bekannt gewesen wären, weder heute noch in der Hauptsache 2006 zu einer Verhandlung gekommen wäre.

Mit dem persönlichen Bekenntnis, dass er sich nicht wünschen könne Kind zu sein, das unter den Bedingungen dieses Fluglärms groß werden müsse, schloss Breidbach sein Plädoyer.