BVBB Bürgerverein Berlin Brandenburg e.V.

Gespeist von den wirtschaftlichen Interessen der Fluggesellschaften und der Flughafengesellschaften trifft der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichtes seit Jahren Entscheidungen ohne Berücksichtigung der Grundelemente unserer Wirtschaftsordnung. Dieser Senat genehmigt sich eine unmögliche  Auslegung des  Bedarfsbegriffes, der im ordnungspolitischen System der sozialen Marktwirtschaft eine feste Größe ist. Bedarf, so die ordnungspolitische Festlegung, ist die Nachfrage (der Konsument), die im Markt das Angebot und den Erfolg für Produkte und Dienstleistungen bestimmt. Dabei sind unumstrittene Erkenntnis und Erfahrung, dass fehlender Bedarf immer das Ergebnis fehlender Nachfrage ist.
Völlig verquer zur tatsächlichen Frage der Bedarfsdeckung stellt der Senat für sich, gegen die Regeln des Marktes, für die Marktbetroffenen im Luftverkehrsmarkt folgenden Leitsatz auf, mit dem er Flugrechte auch in der Nachtzeit genehmigt.

„“Maßgeblich für die Gewichtung eines nach allgemeinen Kriterien bestimmten Verkehrsbedarfs ist allein, ob für die betriebliche Erweiterung ein verlässlich prognostizierter aktueller oder zukünftiger Bedarf besteht und dieser Bedarf einem Verkehrssegment entspricht, das die sachliche Rechtfertigung für eine Nutzung der Nachtrandstunde in sich trägt“.

Es lohnt, diesen Bandwurmsatz in seine Einzelteile zu zerlegen, um zu verstehen, was mit seinem Inhalt behauptet und verbreitet und entschieden wird. Schließlich handelt es sich um den Leitsatz, nachdem der Senat auch urteilt, was an sonstigen Fakten zum Nachtflug „Ja“ oder „Nein“ „entscheidungserheblich“ ist. Wobei „entscheidungserheblich“ ein Synonym für richterliche Interpretationsphantasie ist. Feststellen, bei Auslegungen zur Entscheidungs – un – erheblichkeit kann man dann schwerlich die Folgenerheblichkeit, die sich aus der Entscheidungs – un –erheblichkeit ergibt.

Zu den Einzelteilen des Leitsatzbandwurms:

1. „Maßgeblich für die Gewichtung eines nach allgemeinen Kriterien bestimmten Verkehrsbedarfs ist allein, ob für die ............“. Dieser Satzteil beantwortet natürlich nicht, was allgemeine Kriterien des Verkehrsbedarfs sind. Aber, dieser Satzteil ist dann Grundlage dafür, was der Senat  zunächst in seinen Urteilsbegründungen als „allgemeines Kriterium des Verkehrsbedarfs“ versteht. Also, willkürlich beurteilt.
2. Um dem auf der Hand liegenden Vorwurf der Willkür einer allgemeinen Bedarfserkenntnis auszuweichen, begründet er im zweiten Satzteil als Grundlage seiner  Entscheidung zum bestimmten Bedarf:.......“betriebliche Erweiterung ein verlässlich prognostizierter Bedarf besteht......“Was heißt hier „ein verlässlich prognostizierter“ Bedarf? Da maßt sich der Senat an darüber zu entscheiden, was er als verlässliche Prognose zur Grundlage seiner Entscheidung macht. In der Praxis bedient sich der Senat dabei immer eines Gutachters, der schon immer als Gutachter tätig war, dessen Methoden und Erkenntnisgrundlagen aber umstritten sind. Immerhin passen sie aber immer zum Anspruch nach einer „verlässlichen Prognose“. Dass man Prognosen genau so wenig in den Himmel heben kann wie Statistiken, gehört eigentlich zur wichtigen Skepsis bei Beurteilung von Verlässlichkeit. Diese Skepsis wird einfach durch Behauptung verdrängt.
3. Im dritten Satzteil seines Leitsatzes formuliert der Senat dann:.....und dieser Bedarf einem Verkehrssegment entspricht, das die sachliche Rechtfertigung für eine Nutzung der Nachtrandstunde in sich trägt.“ Spätestens jetzt stellt sich die Frage, was der Senat unter Bedarf versteht. Nach seinen Einlassungen ist Bedarf im Luftverkehrsmarkt das gewünschte Angebot von Flugzeiten für Flugzeuge bzw. der Profitunterstützung von Fluggesellschaften. Ganz offensichtlich, dies zeigen schon vergangene Entscheidungen dieses Senats, stellt dieser Senat die ordnungspolitischen Elemente der sozialen Marktwirtschaft einfach auf den Kopf. Nur so kann er sein Ziel begründen, mit dem er auch Nachtflüge genehmigt. Im Klartext: Der Senat funktioniert das Produktionsmittel „Flugzeug“ einfach als Nachfrage am Markt um. Er tut dies offensichtlich, obwohl es für die Nachfrage nach Flugzeugen, die in der Nacht fliegen wollen, keinen Bedarf, keine Konsumenten, keine Passagiere gibt. Bisher jedenfalls konnten weder der Senat noch die Fluggesellschaften nachweisen, dass es aus der Sicht des Marktwirtschaftselementes „Nachfrager/Konsument“ einen Nachtflugbedarf gibt. Schlimmer noch: der Senat weiß, dass es Passagierbefragungen der Fluggesellschaften auch zum Nachtflugbedarf gibt. Mit dem Hinweis, dass diese Befragungen „Betriebsgeheimnis“ seien, lässt er sich von den Fluggesellschaften abspeisen und hilft so nicht der Wahrheitsfindung. Repräsentative Befragungen eines namhaften Meinungsbefragungsinstitutes (TNS Emnid) vom August 2011 werden dann auch einfach ignoriert. Furchtbar, so werden die Richter gedacht haben, als sie das Ergebnis zur Kenntnis nahmen: weit über 90% der Bundesbürger wollen in der Nacht (nach 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) nicht im Flugzeug sitzen. Auch hier im Klartext: Die Richter wollten und werden nicht zur Kenntnis nehmen, dass sie im Interesse von Gewinnmaximierung der Fluggesellschaften die Gesetze des Marktes, belegt durch Konsumentenbefragung, missachten. Dafür legen sie sich eine eigene Markttheorie zurecht, die alle Elemente einer Zentralverwaltungswirtschaft beinhaltet.
4. Es lohnt sich nachzufragen, was der Senat unter „Nachtrandstunde versteht. Heißt es doch in den Schlussworten des Bandwurms: „...die sachliche Rechtfertigung für eine Nutzung der Nachtrandstunde“ in sich trägt.“ Man mag es nicht glauben: Offensichtlich, gegen alle nationalen und internationalen Regelungen und Festlegungen zum Zeitrahmen der Nachtzeit, bezeichnet  der Senat die Nachtstunden zwischen 22:00 bis 0:00 und zwischen 5:00 und 6:00 Uhr als Nachtrandzeiten. Unbesehen übernimmt er mit dieser Definition der Nachtruhe die Propagandasprache der Fluggesellschaften und Flughafengesellschaften. Diese befeuern die Öffentlichkeit seit Jahren mit diesem Unsinn, einer absurden Definition der Nacht. Wie erkennt ein Gericht nicht, dass es auch ausweislich des Sprachbegriffes „Nacht“ Nachtrandzeiten nur vor den festgelegten Nachtstunden, oder danach geben kann? Wiederum ausweislich seiner Rechtsprechung teilt das Gericht die Nacht aber willkürlich in drei Zeitscheiben ein. So gibt es dann die Nachtruhezeiten, als Nachtkernzeit bezeichnet (0:00 bis 5:00 Uhr) und die Nachtrandzeiten zwischen 22:00 und 0:00 Uhr sowie zwischen 5:00 Uhr) und 6:00 Uhr. Nach Maßgabe der Entscheidungen des Senates gibt es so einen minderen Schutz auf Nachtruherecht und einen besseren Schutz auf Nachtruhe (geflogen werden darf mit Einschränkungen auch zwischen 0:00 und 5:00 Uhr) D. h.: Nach Auffassung des Senates reichen für einen halbwegs gesunden Nachtschlaf aller Menschen, unabhängig von Alter und Lebenssituation, fünf Stunden Schlaf. Die restliche Nachtzeit gehört dem Fluglärm, der Profit macht.
5. Es soll nicht verschwiegen werden, dass der Senat auch für die Fluglärmzeit am Tage und in der Nacht vorgesorgt hat. Da dringt er auf passiven Lärmschutz, wie ihn das schlimme, menschenverachtende Fluglärmschutzgesetz als Minimalschutz den Lärmopfern zugesteht. Für die Kinder gibt es untaugliche und wiederum krank machende Horte, KITAS und Schulen, die zum Schutz gegen Fluglärm zu Akustikkäfigen umgebaut sind. Da werden die Kinder mit Ventilatoreinrichtungen belüftet, künstlich befeuchtet und gegen zu hohen CO – Gehalt mit Stoßbelüftungen „geschützt“, Wenn sie dann zur Nachruhe, inclusive der Nachtrandzeiten vor 22:00 Uhr und nach 6:00 Uhr müssen, haben sie wie die Erwachsenen Schlafräume, die ebenfalls bei geschlossenen Schallschutzfenstern druckbelüftet werden. Das ist dann Folgenerheblichkeit als Ergebnis von Entscheidungserheblichkeit.

Das ist dann die Realität von Richtersprüchen, die den Begriff „sozial“ als Bestandteil des ordnungspolitischen Systems der sozialen Marktwirtschaft nicht akzeptieren oder durch spezielle Auslegung pervertieren. Wollen die Richter etwa behaupten, dass die Bedingungen als Ausfluss ihrer Rechtsprechung sozial sind?
Mit ihrer anstehenden Entscheidung zum „Nachtflugurteil BBI – Berlin Schönefeld“, die am 13. Oktober 2011 verkündet werden soll, hätten die Richter die Möglichkeit von ihrem unsinnigen die Fakten verschleiernden Bandwurm - Leitsatz abzurücken, mit neuen Erkenntnissen und Entscheidungen dafür zu sorgen, dass die Nacht nicht mehr für Hunderttausende eine Folterkammer wird. Vielleicht denken sie auch daran, dass ihre Entscheidung vor dem „Europäischen Menschenrechtsgerichtshof“ landen könnte. Darum sollten sie noch fix nachlesen, welche nationalen Gerichte sich hier schon Ohrfeigen eingehandelt haben, weil sie Menschenrechte missachtet haben. Das Recht auf Nachtruhe ist ein Menschenrecht und keine rechtliche Manipulationsmasse zur Erzielung von Profiten.