Es sollte ein Interview werden, das Pressesprecher Kristian-Peter Stange und der Kommunikationsbeauftragte des Vorstandes, Ferdi Breidbach (BVBB) mit der CDU Landes – und Fraktionsvorsitzenden Dr. Saskia Ludwig am 27.12.2011 telefonisch geführt haben. Es wurde ein Streitgespräch! Die Antworten wurden, wie bei Interviews üblich, vom Pressesprecher der Landtagsfraktion, Herrn Gursch autorisiert.
BVBB:
Jetzt bekommen Sie ein Problem!
Ludwig:
Wirklich! Von wem?
BVBB:
Nun, Sie geben uns, einer Bürgerinitiative, die nicht immer zur Freude auch ihrer Partei schon seit 1998 keinen Hehl aus ihrer Meinung zur Flughafenpolitik und zu Parteien macht, ein Interview – und dazu noch im Internet.
Ludwig:
Der BVBB fasst einen nicht immer mit Samthandschuhen an, das ist aber auch im politischen Betrieb in Brandenburg, wo bis vor Kurzem noch ein gewisser Rainer Speer Finanz- bzw. Innenminister gewesen ist, nichts Ungewöhnliches. Als Union haben wir gelernt, damit umzugehen, wobei wir die Arbeit des BVBB nicht nur respektieren, sondern mittlerweile auch zu schätzen wissen.
Der BVBB ist ein anerkannter demokratisch organisierter Umweltverband und das Internet ist auch im Sinne der Pressefreiheit ein Kommunikationsmittel, das jedem offen stehen sollte. Als Märkische Union mussten wir gerade erleben, wie von Teilen der hiesigen Presse versucht wird, das hohe Gut der Pressefreiheit zu beschneiden und Teile der Journalistenkollegen als Persona non grata diffamiert wurden. Das einzelne Bereiche des bürgerschaftlichen Engagements von Platzeck und seiner letzten linken Landesregierung besonders geehrt werden und andere hingegen nicht einmal ansatzweise die Achtung und Beachtung bekommen, ist ein Fakt. Der Kontext eines Internet-Interviewformates scheint für die Anprangerung solch eines Missstandes besonders geeignet. Man hat den Eindruck, dass in den klassischen Printmedien mit hoher Verbreitung in Brandenburg kaum berechtigte Kritik der Bürger an Platzeck Beachtung findet oder sie eben auch systematisch ausgeblendet wird.
BVBB:
Also, auch hier keine Denkverbote!
Ludwig:
Sie spielen wahrscheinlich auf die Aussage an, die ich auf der zentralen Unions-Veranstaltung am 22.August dieses Jahres in Rangsdorf zusammen mit allen Bürgerinitiativen gemacht habe, die zum Flughafenbau etwas zu sagen haben?
BVBB:
Genau, dafür haben Sie ja dann auch selbst aus Ihrer eigenen Partei zum Teil Prügel einstecken müssen.
Ludwig:
Das ist vielleicht etwas übertrieben, aber es war für viele, angefangen von Platzeck über die SED-Nachfolgepartei bis zu den Haus- und Hofberichterstattern von Rot-Rot ein Tabubruch, dass ich mich vor Bürgerinitiativen stellte, die etwas gegen Wowereits Prestigeprojekt BER und vor allem seine negativen Folgen haben. Genau diese Bürgerferne ist es, die zu Politikverdrossenheit und der Unzufriedenheit der Brandenburger führt. Erst kurz vor Weihnachten hat Platzeck schwarz auf weiß bescheinigt bekommen, dass mehr Bürger in Brandenburg mit der Landesregierung unzufrieden sind, als ihren Kurs unterstützen. Spätestens da hätte Platzeck handeln müssen und seiner Verantwortung gegenüber den Brandenburgern gerecht werden müssen. Das heißt, die berechtigten Interessen der Bürger, wie zum Beispiel beim Lärmschutz mit Nachdruck umzusetzen. Was wir hingegen erleben müssen, ist, dass Sachargumente ausgeblendet werden und der Ministerpräsident vor dem Air-Berlin Flieger posiert, mit dem er kurz danach nach Amerika fliegt. Diese Missstände nehmen wir als Opposition nicht wortlos hin.
BVBB:
Vor dem Hintergrund des Dogmas der Parteien, dass der Standort BBI/BER unantastbar sein soll, wurde Ihre Forderung nach Aufgabe von Denkverboten doch als ein Paradigmenwechsel ausgelegt, der ein negatives Echo in allen Parteien und den Medien ausgelöst hat. Wollen Sie das verniedlichen?
Ludwig:
Es geht nicht um verniedlichen. Es geht darum, dass die Platzeck-SPD nach 22 Jahren gefühlter Alleinherrschaft verstehen muss, dass es in einer Demokratie Meinungsvielfalt gibt. Und trotzdem hat diese Regierung weiter keinen Respekt vor den Bürgern und handelt so, als wenn sie einseitige Lobbypolitik macht. Und das ganze garniert mit einer ideologischen Ausrichtung. Der einzelne Mensch zählt nichts, es zählt nur das Kollektiv. Diese einseitige linke Ausrichtung bedeutet aber auch, dass zum Beispiel der BVBB und die Bürgerinitiativen, die nicht das richtige „Parteibuch“ haben, weiter einen schweren Stand besitzen – zum Beispiel, wenn es darum geht, überhaupt gehört zu werden! An dieser Stelle können wir als Opposition helfen, um die gegenwärtige Hinterzimmer-Politik nicht nur anzuprangern, sondern auch in der Parlamentsarbeit beim richtigen Namen zu nennen.
BVBB:
Haben die vom BVBB geschriebenen Memoranden (www.bvbb-ev.de) und das Nachnutzungskonzept „Zentralflughafen für Deutschland- Nachnutzung Schönefeld“ bei Herrn Platzeck und den vielen Verantwortungsträgern, denen wir es im April 2011 zugesandt hatten, überhaupt Gehör gefunden?
Ludwig:
Wie man so hört, war Platzeck schon zu Zeiten als Oberbürgermeister von Potsdam kein Aktenleser. Nach Angaben aus seinem Umfeld wohl eher unwissend, wenn es um Detailwissen und die eigentliche Sacharbeit ging. Es würde mich positiv überraschen, wenn er die Memoranden (www.bvbb-ev.de) und das Nachnutzungskonzept gelesen hat. Es gibt eine ganze Menge, was vom BVBB gefordert und kritisiert wird, dass ich nur unterstreichen kann. Ich gestehe auch, dass ich nach ersten Gesprächen, die ich mit BVBB Vertretern geführt habe, vom Sachverstand beeindruckt war, der im Zweifel größer ist, als vom eigentlich zuständigen Staatssekretär Rainer Bretschneider!
BVBB:
Kommen wir zur Zukunft. Da weisen wir bescheiden darauf hin, dass Ihre Union nur dann attraktiv ist, Chancen zur politischen Wachablösung zu bekommen, wenn Sie ein Konzept oder Lösungsvorschläge für die Lösung von Problemen haben. Dass der Flughafenstandort ein Zukunftsproblem ist, ist ja unstrittig.
Ludwig:
Vielleicht darf ich an der Stelle nochmal erwähnen, dass es mittlerweile den meisten politisch Handelnden in Brandenburg klar ist, dass die Standortentscheidung Schönefeld eine Fehlentscheidung war. Brandenburg braucht aber einen Flughafen, noch besser, einen wirtschaftlichen. Deshalb ist eine Begrenzung, so wie sie Platzeck jetzt – vorläufig – entschieden hat, nicht durchzuhalten. Aber am Standort Schönefeld wäre eine Kapazitätserweiterung gerade unter dem Aspekt Gesundheitsgefahren und der Betroffenheit zigtausender Menschen grob fahrlässig. Und was notwendige Kapazitätserweiterungen betrifft, brauchen wir nur nach Frankfurt/Main und München schauen. Mit einer ähnlichen Entwicklung muss ich auch für den ganzen Süden und Südosten Brandenburgs rechnen. Das will ich nicht. Darum muss eben ohne Denkverbote nachgedacht und auch gehandelt werden.
BVBB:
Schöne Worte, wir wollen Taten sehen. Erzählt wurde genug, vor allem über eine grandiose wirtschaftliche Entwicklung durch den BBI über Zehntausende zusätzlicher Arbeitsplätze. Dazu passt doch, dass Platzeck jetzt verkündet: für diese Entwicklung sind die Opfer, die die Betroffenen zu tragen haben, vertretbar.
Ludwig:
Zunächst: Arbeitsplätze oder wirtschaftliche Entwicklung sind in diesem Fall keine Fragen des Standortes, sondern ein Problem von Erfolg oder Nichterfolg eines Gesamtprojektes. Da bin ich bei Ihnen, wenn sie wiederholt zum Ausdruck bringen, dass Arbeitsplätze nicht an den Standort Schönefeld gebunden sind, da es diese auch an anderen Standorten geben würde.
Hierzu aber eine grundsätzliche Aussage, die mir sehr wichtig ist: Die Aufrechnung von Arbeitsplätzen oder Wirtschaftserfolg gegen gesundheitliche Schäden oder Eigentumsvernichtung von Betroffenen ohne Ausgleich lehne ich strikt ab. Diese von Platzeck praktizierte Aufrechnung ist unethisch und unmoralisch zugleich. Diese Auffassung widerspricht auch dem christlichen Menschenbild, dem wir uns verpflichtet fühlen. Zwangläufig ergibt sich aus dem christlichen Menschenbild, gestützt auch durch das Grundgesetz, dass sich wirtschaftliche und unternehmerische Tätigkeiten mit dem Wohl des Menschen vereinbaren lassen müssen.
BVBB:
Welche konkreten Projekte werden Sie in naher Zukunft forcieren?
Ludwig:
Auf unserem Landesparteitag wurde mit übergroßer Mehrheit die Einrichtung eines Landesfachausschusses „Flughafen“ beschlossen, der beratend und konzeptionell dem Unions-Vorstand zuarbeiten soll. Dieser Ausschuss ist seit Anfang Dezember unter Vorsitz meines Landtagskollegen Rainer Genilke aktiv. Zu seinen Mitgliedern zählen zahlreiche sachkundige Vertreter auch von Bürgerinitiativen. Ihre Vorsitzende, Astrid Bothe, ist dort auch Mitglied. Ich erwarte vom Landesfachausschuss erste Arbeitsergebnisse bis zum März 2012, die wir dann wiederum mit allen Bürgerinitiativen auf „Rangsdorf 2“ vorstellen und mit ihnen diskutieren wollen. Nicht zuletzt auch auf Rat von Sprechern der Bürgerinitiativen sind wir mit zig Anfragen und Anträgen zu Flughafenproblemen seit dieser Zeit im Landtag tätig geworden.
Für mich kommt es darauf an, einen Dialog mit den Bürgerinitiativen auf Augenhöhe zu führen. Das heißt nicht, dass ich ihnen zu Munde reden werde. Zugleich ist ein Verhalten, wie Platzeck es vor seiner Staatskanzlei gegenüber den Demonstranten gezeigt hat, nicht akzeptabel. Beschimpfungen ersetzen keine Argumente.
BVBB:
Werden Sie die Umsetzung des Lärmschutzprogramms zum politischen Thema machen?
Ludwig:
Mit unserem jüngsten Antrag an die Landesregierung, allen Haushaltsmitgliedern der betroffenen Immobilien so lange eine Lärmrente zu zahlen, bis in diesen Haushalten eine qualifizierte Umsetzung des Lärmschutzes vorhanden ist, ist ein erster Schritt getan. Wir werden über die Feiertage abwarten, ob Platzeck tätig wird!
BVBB:
Wir wollen nicht vergessen Sie zu fragen, warum denn die Union keine klare Position zum Nachtflugverbot hat?
Ludwig:
Als Opposition haben wir bei der praktischen Umsetzung keinerlei Handhabe. Wir können aber dem demokratischen Auftrag folgend die Regierungsarbeit überprüfen. Hier haben wir aber das Problem „mit dem Glauben an die Aussagen der Platzeck-Regierung.“ Massiv behauptet die letzte linke Regierung in Deutschland, wenn der Nachtflug nach 22:00 Uhr oder vor 6:00 Uhr nicht möglich ist, dann wird der Flughafen unwirtschaftlich. Wir müssen uns auf die Aussagen der Experten der Platzeck-Regierung verlassen können.
BVBB:
Ganz sachlich gefragt: welche Zukunft für den BBI/BER wünschen Sie sich denn?
Ludwig:
Wir wollen einen wirtschaftlichen Großflughafen für die Region. Ob der BBI diesem Anspruch gerecht wird, werden wir schon sehr bald herausfinden. Allerdings bin ich hier wirklich skeptisch. Die Daten, die mir bekannt sind, sind nicht hoffnungsvoll. Dass uns bis heute ein Einblick in den Businessplan der FBS durch die zuständigen Ministerien verweigert wird, stimmt mich sehr misstrauisch. Da wissen wohl die Verweigerer, dass meine Fraktion im Gegensatz zu anderen Verantwortungsträgern solche Pläne lesen, analysieren und interpretieren können.
Auf keinen Fall wollen wir eine Kapazitätserweiterung mit einer dritten Start- und Landebahn in Schönefeld, die bei Zielsetzung von Berlin und Bund wahrscheinlich nach 2025 fällig ist. Eine Flughafenpolitik, die die südlichen und südöstlichen Landkreise an der Berliner Stadtgrenze in ihrer Entwicklungsfähigkeit endgültig opfert und die dortige Bevölkerung unabsehbaren Gefahren für Gesundheit und Lebensqualität aussetzt, gibt es mit der Union nicht. Es wird auch gern vergessen, dass laut Prognosen die Hälfte der Brandenburger schon im Jahre 2030 genau in den betroffenen Regionen wohnen wird. Im Übrigen sehen wir doch, was in Frankfurt/Main oder München los ist, was sich dort in 20 Jahren entwickelt hat und was dort vor 20 Jahren gesagt wurde.
BVBB:
Hier wie auch in Frankfurt, München, Stuttgart, London oder sonst wo in der Welt, lassen es sich die Menschen nicht mehr gefallen Opfer von Entscheidungen zu sein, die gegen ihre Interessen mit diktatorischem Gehabe auf Grundlage zurechtmanipulierter Rechtsnormen oder windiger Gerichtsentscheidungen durchgesetzt wurden. Schönefeld ist darum weder für die Politik, die Luftverkehrswirtschaft noch für Gemeinden und Menschen eine Perspektive.
Ludwig:
Da könnten Sie wahrscheinlich rechthaben. Eben darum wird die märkische Union auch über Alternativen nachdenken, diese notfalls entwickeln, wenn Platzeck weiter seinen ideologischen Kampf gegen die Bürger fortsetzt. Zur Versachlichung eines Dialogs gehört auch das BVBB-Konzept zu alternativen Überlegungen.
BVBB:
Wir danken und bleiben dabei, Sie bekommen für dies Interview wieder Ärger, weil Sie sich offen bekannt haben und wieder aus der Reihe getanzt sind.