Verband Deutscher Grundstücksnutzer e.V. VDGN
AG Lärmschutz im VDGN
Bürgerinformation zum Schallschutzprogramm (Stand 01.10.2014)
Viele Anwohner im Tagschutzgebiet der zukünftigen Südbahn des BER erhalten derzeit von der Flughafengesellschaft umfangreiche Unterlagen mit den Berechnungen, welche baulichen Schallschutzmaßnahmen an ihren Wohnungen konkret erforderlich sind, um die im Planfeststellungsbeschluss festgelegten Schutzziele für den Tages- und Nachtzeitraum innerhalb der Wohnungen einzuhalten. Bei den alten Kostenerstattungsverein-barungen handelte es sich jeweils um einen Vertrag zwischen der Flughafengesellschaft (FBB) und dem Wohnungseigentümer, die durch beiderseitige Unterschrift gültig wurde bzw. werden sollte. Die nun versendeten Unterlagen werden von der FBB Anspruchsermittlung (ASE) genannt und sind keine Verträge mehr, sondern lediglich eine Mitteilung der FBB an den Bürger, welche Maßnahmen die FBB für ausreichend und damit für erstattungsfähig hält. Es sind auch keine Bescheide, solche dürfte die FBB gar nicht erlassen, weil sie keine Behörde ist und keine Widerspruchs- und Rechtsbehelfsbelehrung enthalten ist.
Wenn diese Anspruchsermittlungen durchweg sorgfältig, fehlerfrei und in Zweifelsfällen sogar zu Gunsten der Bürger erstellt wären, könnten viele Südbahn-Anwohner nun tatsächlich zügig die notwendigen Umbauten beauftragen und damit sicherstellen, dass der Schallschutz mit Beginn des Flugbetriebes auf der neuen Südbahn vorhanden ist. Leider gibt es damit eine Reihe von Problemen.
Grundsätzliche systematische Fehler /Fallstricke in den Anspruchsermittlungen, die bei allen ASE auftreten: Entgegen der von MIL und FBB vor dem BVerwG im September 2011 abgegebenen Prozesserklärung und entgegen im Juni 2013 von der FBB im Internet veröffentlichten Karten (Plandarstellung Isolinien in 1 dB-Schritten) und entgegen im Juni 2013 den Bürgermeistern der Umlandkommunen als Mappen von Herrn Mehdorn übergebenen farbig und großformatig ausgedruckten Karten sind die Anspruchsermittlungen(ASE-Bau und ASE-Entschädigung) NICHT mit den korrekten maßgeblichen Außenpegeln zur Dimensionierung des Schallschutzes erstellt worden. Kurz gesagt: Die FBB hat grob zu ihren Gunsten und damit grob zu Ungunsten der Anwohner ausschließlich mit "neuen", "abknickenden" Flugrouten gerechnet. Richtig und rechtmäßig wäre es aber nur, wenn (entsprechend dem deutlichen Tenor der Richter des BVerwG, dass keine Ansprüche verloren gehen dürfen) die "alten" Geradeausrouten, die der Planfeststellung zugrunde gelegt wurden Dimen-sionierungsgrundlage bleiben und zusätzlich die neuen Flugrouten für diejenigen Betroffenen zur Anwendung gelangen, die durch neue Flugrouten erstmalig oder stärker betroffen sein würden.
Wie wirkt sich das für die Schallschutzberechtigten konkret aus? Dieser gravierende systematische Fehler, hat zur Folge, dass die maßgeblichen Maximalpegel am Tag, die zur Dimensionierung der Schallschutz - maßnahmen angesetzt werden, durchweg bis zu 7 dB zu niedrig angesetzt worden sind. Anstelle des Planes 2.3 mit neuen Flugrouten hätte die FBB den Plan 1.3 anwenden müssen, dessen Legende korrekt und verständlich "Flugrouten
gemäß Planfeststellungsbeschluss" lautet.
Und weil der FBB das offenbar noch nicht genug Einsparung auf Kosten der Betroffenen ist, werden auch in der Nacht ausschließlich die neuen, auffächernden Flugrouten angesetzt. Dass das nicht rechtens sein kann, merken allerdings all jene Bürger sofort, die bereits eine alte KEV haben und die Anlage 2Erg der KEV und die Anlage 2 des ASE nebeneinanderlegen und das maßgebliche Kriterium vergleichen. Wenn die Bürger ganzer Straßenzüge nämlich nun einen niedrigeren 5-dB-Pegelbereich nach der 2. Fluglärmschutzverordnung zugeordnet bekommen, haben sie es schwarz auf weiß, dass die neue, frische Anspruchsermittlung um 5 dB schlechtere Werte als Schutz für ausreichend hält und die FBB dementsprechend weniger an baulichem Schallschutz in der Nacht bezahlen will,
als in der alten KEV ausgewiesen war.
Wer sich die von der FBB auf ihrer Homepage veröffentlichten Plandarstellungen Isolinien heruntergeladen hat, kann das selbst überprüfen, indem er z.B. die Karte Plandarstellung Isolinien in 5 dB-Schritten Plan 4.4 (neue Flugrouten) mit der Karte Plandarstellung Isolinien in 5 dB-Schritten Plan 3.3 (FR gemäß PFB) vergleicht. Das betrifft die Bewohner ganzer Straßen, sogar ganze Siedlungen, z.B. in Blankenfelde die Karl-Marx-Str., Thüringer Wald-Str., Turmauen, Turmfalkenweg, Meisenweg, Finkenweg, Lerchenweg, Drosselweg, Lilienthalstr., Taunusstr., Sachsenwaldstr.. In Mahlow die Ibsenstr. und der Hebbelweg, in Diedersdorf der Buschweg, in Bohnsdorf die Bachstraße, in Karolinenhof der Krimnitzer Weg, in Eichwalde die komplette Waldstraße (Grenze zu Berlin), die Aufzählung ist nicht vollständig.
Falls Sie in der alten KEV Schallschutzfenster für Schlafzimmer bekommen sollten und in der neuen ASE nicht
mehr, sollten Sie schriftlich Widerspruch einlegen . Grund der Neuberechnung ist ja das OVG-Urteil zum TAG- Schutz und das Gerichtsurteil hat keinerlei Auswirkungen auf den Nachtschutz.
Die den ASE-Unterlagen beigefügte Verzichtserklärung sollten Sie unter gar keinen Umständen unterschreiben. Falls Sie aus irgendwelchen Gründen DERZEIT NOCH keine Baumaßnahmen umsetzen lassen wollen, sind Sie der FBB in keiner Weise Rechenschaft schuldig. Im Interesse Ihrer Gesundheit sollten Sie allerdings die Umsetzung des baulichen Schallschutzes nicht leichtfertig hinauszögern.
Nach den Vorstellungen der FBB sollen Sie die Bauleistungen bei einer Baufirma Ihrer Wahl beauftragen. Sie sollten sich darüber im Klaren sein, dass Sie damit als Vertragspartner der Baufirma für die Begleichung der Baurechnungen gerade stehen müssen, auch, wenn die FBB aus irgendwelchen Gründen nicht, verspätet oder nicht vollständig zahlt. Ein solches Risiko einzugehen, ist für den normalen Haushalt unzumutbar, auch gab es schon Fälle, wo eine Baufirma pleiteging und dann der Insolvenzverwalter vom Bürger die Begleichung der von der FBB nicht vollständig bezahlten Rechnungen forderte.
Nur die wenigsten Schallschutzberechtigten sind Baufachleute. Da die Ingenieurbüros verpflichtet sind, die Bauüberwachung zu gewährleisten, fordern Sie diese Leistung auch ein. Für den Fall, dass das Ingenieurbüro es ablehnt, die Bauüberwachung vor Ort vorzunehmen, verlangen Sie das schriftlich, damit Sie auf Kosten der FBB eine externe Bauüberwachung beauftragen können. Unabhängig davon ist eine engmaschige Fotodokumentation während der Bauarbeiten nützlich. Ob die neuen Fenster oder Wanddämmungen tatsächlich fachgerecht und dicht eingebaut wurden, lässt sich bei der Bauabnahme nämlich oft gar nicht erkennen und Bauschäden wie z.B. Risse und eindringende Feuchtigkeit machen sich erst nach einiger Zeit bemerkbar.
Ein weiterer Fehler, der nicht bei allen ASE, aber häufig auftritt, ist, dass auch in den neuen ASE häufig Wohnräume von der FBB als nicht anspruchsberechtigt eingestuft werden, weil die Raumhöhe dafür zu gering sei. Sie sollten das nicht widerspruchslos hinnehmen. Nicht zuletzt deshalb, weil am 12.11.2012 im Dialogforum mit den Stimmen der FBB selbst, sowie Senats- und Staatskanzlei beschlossen worden ist, dass von der FBB Wohn- und Schlafräume als zu schützend anerkannt werden sollen, wenn die Raumhöhe im Dachgeschoss mindestens 2,15 Meter und in allen anderen Geschossen mindestens 2,30 Meter beträgt. Darüber hinaus muss Bestandsschutz für alle seit Jahrzehnten bewohnten Räume bestehen.
Kombiniert genutzte Wohn- und Schlaf-Räume sind in der ASE häufig nur als Schlafzimmer bezeichnet. Das sollten Sie unbedingt reklamieren. Wenn Sie dieses Zimmer nicht nur zum Schlafen aufsuchen, sondern sich dort auch tagsüber aufhalten, dort z.B. eine Sitzgruppe, ein Schreibtisch oder Computerarbeitsplatz steht, steht Ihnen für diesen Raum genauso wie für Kinderzimmer baulicher Schallschutz zur Einhaltung des strengeren Tagschutzzieles auf NAT 0,005 x 55 dB(A) zu. Auch sogenannte Wohnküchen (Küchen mit Sitzgelegenheit) müssen wie Wohnzimmer geschützt werden, auch wenn sie kleiner als 10 qm sind. Mit dem Einstufen von Wohnräumen als nicht anspruchsberechtigt wird nur Geld zu sparen versucht auf Kosten Ihres Rechtes und Ihrer Lebensqualität.
Falls Ihnen die FBB eine Kulanz - oder Härtefalllösung anbietet, achten Sie darauf, dass genau schriftlich festgehalten wird, auf welche konkreten Maßnahmen sich die Kulanz bezieht. Das ist wichtig, weil die FBB sich in der Vergangenheit von Bürgern hat unterschreiben lassen, dass sie die gesamten Schallschutzmaßnahmen als Paket im Rahmen einer Einzelfall-Lösung ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht anbietet. Für den Teil, auf den Sie ohnehin einen Rechtsanspruch haben, sollten Sie sich nicht auf Kulanz verweisen lassen.
Formal wichtigster Adressat für Ihre Widersprüche ist die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, Abteilung Schallschutz, 12521 Berlin. Eine Kopie sollte an Ihr Ingenieurbüro gehen. Über die mangelnde Qualität der Anspruchsermittlungen und die zahlreichen noch ungelösten Konflikte beim Schallschutzprogramm sollte aber auch die Genehmigungsbehörde in Kenntnis gesetzt werden, von der die FBB grünes Licht für die Nutzung der Südbahn haben möchte. Die Adresse lautet: Gemeinsame Obere Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg, Abteilung des Landesamtes für Bauen und Verkehr, Mittelstraße 9, 12529 Schönefeld. Auch die Planfeststellungsbehörde sollte
nicht unwissend bleiben: Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft, Referat 44, Ministerialrat Bayr, Postfach
60 11 61, 14411 Potsdam.
Nur durch Information von Behörden, Abgeordneten, Bürgermeistern, Gemeindevertretern und der Fluglärmkommission durch zahlreiche Bürger über die Vielzahl der Probleme bei der Umsetzung des Schallschutzprogrammes wird sich etwas zum Besseren hin bewegen.
01.10.2014 Christine Dorn (AG Lärmschutz des VDGN und AG Schallschutz des BVBB)