Hintergrundinformationen zum Offenen Brief des BVBB an die Abgeordneten des Landes Brandenburg
Nachdem sich die Regierungskoalition im Land Brandenburg dafür entschieden hat, das erfolgreiche Volksbegehren zum Verbot eines Nachtflugbetriebs auf dem künftigen Flughafen BER anzunehmen, hat nunmehr auch die Brandenburgische Landesregierung die Fluglärmproblematik auf ihre politische Agenda gesetzt. Zu diesem Zwecke hat die Landesregierung eine Gesetzesinitiative im Bundesrat auf den Weg gebracht, die die Änderung des LuftVG insbesondere hinsichtlich der Festlegung von Flugverfahren zum Ziel hat.
Bei diesem Verfahren soll künftig auf die Lärmschutzbelange der Anwohner in besonderem Maße Rücksicht genommen werden (BRat-Drs 138/13). Zuvor wird die Verpflichtung der Luftverkehrsbehörden postuliert, auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken. Neben dieser Ergänzung des § 29b LuftVG soll bei erstmaliger Festlegung oder wesentlicher Änderung von Flugverfahren eine erweiterte Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgen. Zu diesem Zwecke soll § 32 Abs.4 Nr.8 LuftVG ergänzt werden.
Aber nicht alles, was auf den ersten Blick als sinnvoll erscheint, ist es im Ergebnis auch. Tatsächlich ist es nämlich so, dass die vorbenannte Bundesratsinitiative des Landes Brandenburg geeignet ist, den Interessen der lärmgeplagten Anwohner von Flugplätzen zu schaden, statt ihnen zu nutzen. Wie das?
Die brandenburgische Initiative krankt daran, dass sie Gefahr läuft, eine weitergehende und deutlich besser durchdachte Initiative des Landes Rheinland-Pfalz (BRat-Drs 90/13) zu konterkarieren oder zumindest in nachteiliger Weise zu relativieren. Die Initiative aus Rheinland-Pfalz sieht zunächst die Einführung eines neuen § 10a LuftVG vor, der einen gesetzlichen Abwägungsgrundsatz bei der Festlegung von Flugverfahren festschreibt und entsprechend § 29b Abs. 1 S.2 LuftVG eine Abwägungsprärogative zugunsten der Nachtruhe der Wohnbevölkerung vorsieht. Dies ist weit mehr als derzeit bei der Abwägung im Rahmen der Festlegung von Flugverfahren gilt. Das BVerwG hat hinsichtlich der bei diesen Verfahren zu treffenden Abwägungsentscheidung festgestellt, dass insoweit keineswegs die Maßstäbe einer (fach-)planerischen Abwägungsentscheidung gelten, sondern lediglich die Grenzen des verfassungsrechtlichen (Mindest-)Abwägungsgebotes. Ausdrücklich heißt es im ersten Leitsatz der Leitentscheidung des BVerwG vom 24.06.2004 – Az.: 4 C 11/03 – wie folgt:
„Bei der Festlegung von Flugrouten auf der Grundlage des § 27 a Abs. 2 LuftVO hat das Luftfahrt-Bundesamt eine Abwägungsentscheidung zu treffen, die gerichtlich überprüfbar, aber nicht an den zum Abwägungsgebot im Fachplanungsrecht entwickelten Grundsätzen zu messen ist.“
Eine Abwägungsprärogative zum Schutz der Nachtruhe besteht nach dieser Rechtsprechung demzufolge auch nicht. Diesen gesetzlichen Missstand zu Lasten der Anwohner beseitigt der Vorschlag aus Rheinland-Pfalz mit klaren Worten. Nicht so der brandenburgische Vorschlag. Zum einen wird das Abwägungsgebot nicht in der gebotenen Klarheit formuliert. Es ist vom Schutz vor unzumutbaren Fluglärm die Rede, auf den hingewirkt werden soll. Das hilft den Anwohner nicht. Schon jetzt steht außer Frage, dass vor unzumutbaren Fluglärm zu schützen ist. Die Frage ist doch, welcher Fluglärm als zumutbar und welcher als unzumutbar anzusehen ist. Auch das „hinwirken“ ist eine rechtlich unklare Kategorie. Zum anderen – und dies wiegt noch schwerer – beinhaltet die brandenburgische Formulierung eine Verordnungsermächtigung des Bundesverkehrsministers, der das „Nähere“ regeln soll. Was auch immer das „Nähere“ sein mag, die Ausgestaltung der Umsetzung des Abwägungsvorganges und die Festlegung der maßgeblichen Parameter wird vollständig in die Hände des Ministeriums gegeben, dass für seine besondere Infrastrukturfreundlichkeit bekannt ist. Die Gefahr besteht, dass dann durch Rechtsverordnung der an sich – so hoffen wir doch – bezweckte Schutz der Anwohner bei den sog. Flugroutenverfahren stark relativiert werden kann. Das aus Sicht der Anwohner sehr negative Beispiel der 2. FlugLSV zeugt von dieser Problematik. Diesen Bedenken kann im Übrigen nicht entgegengehalten werden, dass auch im rheinland-pfälzischen Vorschlag eine Verordnungsermächtigung enthalten ist. Anders als im brandenburgischen Vorschlag wird dort der Umfang dieser Ermächtigung klar definiert: es geht nur um die Festlegung der Kriterien, wann die Änderung eines Flugverfahrens wesentlich ist.
Eine weitere Stärkung erfährt der im Vorschlag des Landes Rheinland-Pfalz vorgesehene § 10a LuftVG durch eine Ergänzung des § 29b Abs.1 LuftVG, der alle Luftverkehrsbehörden und Flugsicherungsorganisationen (das betrifft insbesondere die DFS) auf den Schutz der Nachtruhe verpflichtet. Dies ergibt sich auch - wiederum aber nicht mit dieser Klarheit – aus dem brandenburgischen Vorschlag, aber eben mit dem Zusatz der – von uns klar abgelehnten – Verordnungsermächtigung - .
Eine weiterer Vorteil des rheinland-pfälzischen Vorschlages ist die Anlehnung der Öffentlichkeitsbeteiligung im sog. Flugroutenverfahren an die Regeln des Anhörungsverfahrens in der Planfeststellung (§ 73 VwVfG). Statt von einer „angemessenen Beteiligung“ – wie im brandenburgischen Vorschlag - zu reden, deren Ausgestaltung wiederum einer Rechtsverordnung des Bundesverkehrsministers anheimgestellt wird, knüpft dieser Vorschlag an ein bewährtes und in seinem rechtlichen Rahmen weitgehend geklärtes Verfahren an. Hier weiß jeder, woran er ist; es kann nicht durch Rechtsverordnung ein weiteres Sonderverfahren festgelegt werden.
Schließlich führt die rheinland-pfälzische Initiative zu einer deutlichen Stärkung der Umwelt- und Gesundheitsbelange im sog. Flugroutenverfahren, in dem die Festlegung von Flugverfahren nicht nur ein Benehmen mit dem Umweltbundesamt, sondern dessen Einvernehmen fordert, selbstverständlich nach Maßgabe der sicheren Abwicklung des Luftverkehrs.
Im Ergebnis muss man in Abwandlung des bekannten Sprichwortes feststellen, dass das möglicherweise gut Gemeinte, aber schlecht Gemachte des Besseren Feind ist. Dem entsprechend müssen wir die Abgeordnete und Volksvertreter dringend auffordern, die Landesregierung zu veranlassen, die eignen Initiative zum Schutz vor Fluglärm im Bundesrat zurückzunehmen und den Vorschlag des Landes Rheinland-Pfalz zu unterstützen. Anderenfalls leisten die Abgeordneten den Bürgern ihres Landes im Umfeld des künftigen BER, aber auch den vielen lärmgeplagten Anwohnern von Flughäfen bundesweit einen „Bärendienst“.